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Der Wald zwischen Nutzung und Klimaschutz

Von WZ-Korrespondent Andreas Lieb und Petra Tempfer

Wald
Dass Holz in erster Linie etwa für Möbel oder Hausbau genutzt werden soll, sorgt bei Waldbauern und Biomasse-Produzenten für Entsetzen.
© adobe.stock / Alberto Masnovo

Das EU-Parlament entscheidet über drei wesentliche Weichenstellungen in der Wald- und Klimapolitik. Es geht um Lieferketten, nachhaltige Wälder und Biomasse.


Die Zukunft des Waldes steht diese Woche gleich mehrmals zur Diskussion: Über die Lieferketten-Verordnung sowie die EU-Waldstrategie für 2030 stimmte am Dienstag das EU-Parlament in Straßburg ab, und heute, Mittwoch, steht die Richtlinie für erneuerbare Energien "Red III" auf der Tagesordnung. Die Lieferketten-Verordnung soll die weltweite Waldzerstörung verhindern - Stichwort Regenwald -, während es bei der EU-Waldstrategie darum geht, wie die Waldbewirtschaftung in Europa künftig nachhaltiger gestaltet werden kann. Bei "Red III" stehen Förderungen im Fokus: Die bisherige Einstufung von Holz könnte mit dieser Richtlinie als förderungswürdige erneuerbare Energie gekippt oder zumindest deutlich abgeschwächt werden. Holz sei für etwas Besseres bestimmt, als es zu verheizen, so die Intention dahinter.

Alle eineinhalb Minuten verschwindet laut Umweltschutzorganisationen ein Fußballfeld tropischer Wald, weil die Länder der Europäischen Union Produkte wie Soja, Palmöl oder Kautschuk importieren. Es wird geschätzt, dass der EU-Verbrauch für etwa 16 Prozent der weltweiten Abholzung verantwortlich ist. Die neuen Regeln der Lieferketten-Verordnung, über die die Abgeordneten des EU-Parlaments am Dienstag abgestimmt haben, sollen verhindern, dass diese Produkte auf den EU-Binnenmarkt kommen, sofern ihre Herstellung Entwaldung verursacht hat. EU-Parlament und Kommission arbeiten nun an neuen Vorschriften für Unternehmen, um die von der EU verursachte Abholzung zu stoppen. Mit dem neuen Gesetz müssten Unternehmen sicherstellen, dass in der EU verkaufte Waren nicht auf abgeholzten oder degradierten Flächen hergestellt wurden. Umweltschützer begrüßen dieses Gesetz, allerdings müsse man die lückenlose Kontrolle der Regeln samt Sanktionen sicherstellen, heißt es etwa vom WWF Österreich dazu.

Die Grünen stimmten gegen die Position zur Waldstrategie

Auch die Position zur Waldstrategie der Kommission, auf die sich die europäischen Abgeordneten gestern geeinigt haben, soll die europäischen Wälder schützen. Die Grünen stimmten bei dieser Abstimmung allerdings dagegen; warum, erklärt der österreichische EU-Abgeordnete Thomas Waitz, selbst ein Waldbauer, so: "Eine Lobby aus Forstwirtschaft und nordischen Mitgliedstaaten hat dafür gesorgt, dass es keine Vorschläge zur naturnahen und biodiversitätsnahen Waldwirtschaft gibt, und ohne klimafreundliche Bewirtschaftung werden wir die Klimaziele nicht erreichen. Dieser Bericht ist damit mutlos."

Über den für Österreich größten Aufreger wird jedoch erst heute abgestimmt. Dabei geht es um eine Beschlussvorlage für die Erneuerbare-Energien-Richtlinie "Red III", die vorsieht, dass Holz in erster Linie als stoffliches Produkt genutzt werden soll (also etwa für Möbel oder Hausbau) und nur die Nebenprodukte wie Sägemehl oder kleine Äste verfeuert werden sollen. Hintergrund ist unter anderem, dass für größere Heizwerke oft Holz aus unklarer Herkunft über weite Wege aus dem Ausland herangeschafft werden muss und in manchen Ländern auch schnell wachsende Monokulturen statt eines natürlichen Waldes überhandnehmen.

Dabei steht nur die Förderwürdigkeit zur Diskussion und kein etwaiges Verbot. Kleine Nahheizwerke, wie sie oft in Gemeinden zu finden sind, sind ebenfalls nicht erfasst. Dennoch gingen in Österreich die Wogen hoch. Der steirische Agrarlandesrat Hans Seitinger (ÖVP) sprach gleich von einem "energiepolitischen Super-GAU" und stellte die laut Taxonomieverordnung "grüne Atomkraft" einer "nicht grünen Biomasse" gegenüber.

Vertreter der Wirtschaft sind jedenfalls alarmiert: Denn aus deren Sicht wird mit den Abstimmungen des EU-Parlaments über "Red III" nicht nur über die Zukunft des Waldes entschieden, sondern auch über deren eigenes Fortbestehen. Was Österreichs Waldbauern betrifft, so sind diese "entsetzt", wie es der Obmann des Waldverbandes Österreich, Rudolf Rosenstatter, formuliert. "Dass Biomasse aus dem Wald in Zeiten, in denen man Erneuerbare fördern will, künftig benachteiligt werden soll, ist unglaublich", sagt er zur "Wiener Zeitung". "Die Waldbauern werden damit in Handschellen gelegt." Vorrangig fürchten sie freilich um diese Einnahmequelle, die laut Rosenstatter essenziell ist. "Wenn es finanziell nicht mehr geht, können wir uns auch nicht mehr um das Pflanzen von Jungbäumen kümmern - und wollen es auch nicht", sagt er.

"Das ist eine umweltpolitische Bankrotterklärung"

Der Präsident des österreichischen Biomasse-Verbands Franz Titschenbacher, der auch der steirische Landwirtschaftskammer-Präsident ist, meint: "Wir sind strikt gegen diese Richtlinie. Das ist eine umweltpolitische Bankrotterklärung. Das ist unfassbar, es fehlt jeglicher Hausverstand." In seinen Augen drohe Österreich sogar ein EU-Vertragsverletzungsverfahren. Da man hierzulande in der Wärmeversorgung stark auf klimafreundliche Biomasse aus Holzreststoffen setze, werde man ohne nachwachsende Reststoffe aus Holz für die Wärmegewinnung die EU-Klimaziele verfehlen, meint Titschenbacher. Holzenergie sei in Europa mit einem Anteil von 40 Prozent und in Österreich mit einem Anteil von 45 Prozent "der mit Abstand bedeutendste erneuerbare Energieträger". Reduziert man die Holzenergie um zehn Prozent, entspreche das dem Photovoltaik-Ausbau der vergangenen 30 Jahre. Der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch liegt in Österreich laut Umweltministerium bei einem Drittel, beim Strom sind es 78,2 Prozent.

"Keine Rede davon, Biomasse zu verbieten"

In Straßburg dazu befragt, haben die österreichischen EU-Abgeordneten geteilte Meinungen zu dem Thema. Claudia Gamon (Neos) spricht hinsichtlich der Alarmrufe in Österreich von "fake news": Es sei doch keine Rede davon, Biomasse zu verbieten, vielmehr solle Österreich stolz darauf sein, ein nachhaltiges Forstmanagement zu haben: "Es geht hier auch nur um die Position des EU-Parlaments, mit der wir in Verhandlungen mit Rat und Kommission gehen."

Ähnlich drückt es Waitz (Grüne) aus: Man wolle nicht Heizen mit Holz verbieten. "Red III" sei vielmehr ein von allen Fraktionen mitgetragener Erfolg, der die Übernutzung und Zerstörung der Ressource Wald verhindern soll: "Der Rohstoff Holz kann weit besser verwendet werden, als ihn nur zu verheizen." Biomasseheizwerke, die auf Primärholz bauen, könnten weiterhin errichtet werden: "Aber dann nicht mit EU-Geld."

Klar dagegen will die FPÖ stimmen, so Roman Haider: "Die EU will hier einen Raster über alles stülpen, dabei haben Wälder in den Ländern völlig unterschiedliche Charakteristiken." Auch in der Waldstrategie ortet die FPÖ einen "massiven Eingriff in die Eigentumsrechte".

Die ÖVP versucht es mit dem Mittelweg

"Fassungslos über die kursierenden Falschmeldungen" zeigte sich SPÖ-Abgeordneter Günther Sidl. Man müsse den Wald gegen Profitgier schützen - die stärksten Bäume abzuholzen und dann zu verheizen, sei alles andere als nachhaltig. Es sei in Ordnung, den großen Holzkonzernen "auf die Zehen zu steigen", wenn sie einen Irrweg beschreiten und damit auch noch "großes Geld verdienen".

Bei der ÖVP wiederum versucht man es mit dem Mittelweg; einerseits ist der Druck durch die heimische Landwirtschaft in den vergangenen Tagen enorm angewachsen, andererseits ist die EVP mit der zuletzt vereinbarten Kompromisslösung einverstanden. Die EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer, Regional- und Agrarsprecherin und eine Steirerin, weist darauf hin, dass zwei Millionen Menschen in der EU und davon 300.000 allein in Österreich ihr Einkommen aus der Waldwirtschaft bestreiten. In den Vorschlag, der heute abgestimmt wird, wurden zahlreiche Änderungsvorschläge eingebracht, von deren Ergebnis will die ÖVP Zustimmung oder Ablehnung abhängig machen.

Im weiteren Schritt beginnen die sogenannten Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Rat - das letzte Wort ist somit noch länger nicht gesprochen.