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Klimawandel und Bäume

Von Roland Knauer

Wald
Wächst im Mischwald ein Nadelbaum, steigt die Temperatur.
© Fotolia/Martina Berg

Wälder beeinflussen Lufttemperaturen sehr unterschiedlich.


Berlin. Forscher bestätigen den ersten Eindruck, den Besucher unter Bäumen gewinnen: Ein Buchenwald in Europa, ein Regenwald im Amazonasbecken Südamerikas und ein Urwald in einer Region mit viel weniger Niederschlag auf dem gleichen Kontinent unterscheiden sich stark voneinander. Nicht nur leben dort andere Tiere, diese Wälder beeinflussen auch das Klima der Region sehr unterschiedlich. So treiben die in Europa viele Jahrzehnte sehr beliebten Fichtenwälder die Temperaturen im Vergleich mit einem Buchen-Mischwald weiter nach oben. Wächst dagegen auf einer inzwischen aufgelassenen Rinder-Weide, die einst in den Amazonas-Regenwald geschlagen wurde, ein Wald aus zweiter Hand, kann dieser jedes Jahr bis zu elfmal mehr Kohlendioxid aus der Luft holen als der intakte Urwald nebenan.

Blick hinter die Kulissen

Werfen also Landesvertreter bei Klimaverhandlungen den Einfluss ihrer Forstpolitik nach dem Motto "Wir produzieren zwar große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid, unsere Wälder holen aber viel davon zurück" in die Waagschale, lohnt ein Blick hinter die Kulissen. Genau das tun jetzt gleich drei Forscher-Teams mit recht unterschiedlichen Ansätzen.

Kim Naudts vom Laboratoire des Sciences du Climat et de l’Environnement in Paris und Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg hat mit ihrem Team Europas Wälder zwischen den Küsten am Atlantik und der russischen Grenze im Fachblatt "Science" analysiert. Bisher hatten Klimaforscher besonders jene Waldfläche beachtet, die sich seit 1750 erheblich verändert hat. Damals war Holz nicht nur unersetzlicher Rohstoff, sondern auch wichtiges Brennmaterial. Obendrein benötigte die wachsende Bevölkerung mehr Ackerflächen.

Um diese Bedürfnisse zu erfüllen, verlor Europa in den ersten 100 Jahren dieses Zeitraums mit 190.000 Quadratkilometern eine Waldfläche von mehr als der halben Größe Deutschlands. Ab 1850 ersetzten Kohle, später auch Erdöl und Erdgas Holz als Energieträger, auch als Bauelement nahm die Bedeutung ab. Obendrein steigerten Kunstdünger und Pestizide die Erträge. Die Entwaldung ging zurück und der Trend kehrte sich um - es wurde aufgeforstet. Seit 1850 kamen in Europa 386.000 Quadratkilometer neuer Wald dazu.

Dieser speichert im Holz große Mengen Kohlenstoff, den er aus dem Treibhausgas Kohlendioxid gewinnt. Wälder wirken als Kohlenstoffsenke - genau auf diesen Effekt berufen sich Länder mit viel Wald gern. Insgesamt hat die Zunahme der Waldfläche in Europa seit 1750 immerhin 0,7 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aufgesaugt.

Dies ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn die Menschen haben bisher rund 247 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid ausgestoßen, so die Forscher. Die Kohlenstoffsenke europäische Aufforstung hat gerade einmal 0,3 Prozent dieser Menge wieder aus der Atmosphäre gefischt. Weil sich seit 1750 nicht nur die Fläche der Wälder, sondern auch deren Struktur geändert hat, ist diese Kohlenstoffsenke nur ein Teil der Klimawirkung.

Nadelbäume fördern Wärme

So vervierfachte sich seither die Bevölkerung von 140 auf 580 Millionen Menschen im Jahr 2010. Um alle mit Holz zu versorgen, wurde nicht nur die Forstwirtschaft intensiviert. Auch wurden vermehrt Nadelbäume gesetzt, die schneller wachsen und mehr Holz als Laubbäume liefern. Nadelwälder nahmen 633.000 Quadratkilometer mehr Fläche ein. Gleichzeitig nahmen die Laubwälder um 436.000 Quadratkilometer ab - etwa die gemeinsamen Landesfläche von Österreich und Deutschland.

Auch das hat Einfluss auf das Klima. So nehmen Nadelwälder Sonnenstrahlen viel effektiver als Laubbäume auf und halten mehr Sonnenenergie auf der Erde, zeigt Juliane Otto vom Climate Service Center Germany in Hamburg gemeinsam mit Kim Naudts. Aus Nadeln verdunstet aber weniger Wasser als aus Blättern. Über Nadelwäldern wird deshalb die Luft trockener und Wärme kann schlechter abstrahlen. Dadurch stieg die Temperatur in den unteren Atmosphärenschichten im Sommer über Europa um rund ein Zehntel Grad Celsius an.

Das ist wenig im Vergleich mit den 1,71 Grad Erhöhung durch die zusätzlich in die Luft geblasenen Treibhausgase, übertrifft aber die Kohlenstoffsenke-Wirkung deutlich. Die Wirkung auf das Klima hängt also stark von der Art eines Waldes ab, wie eine Studie zeigt, die Lourens Poorter von der Uni Wageningen (Niederlande) und sein Team in "Nature" schildern.

Nützliche Aufforstungen

Die Forscher haben in 45 Regionen Süd- und Zentralamerikas untersucht, wie gut natürliche Urwälder und sogenannte "Sekundärwälder", die auf zwischenzeitlich gerodeten und etwa als Rinderweiden genutzten Urwald-Flächen wachsen, als Kohlenstoffsenken wirken. Bei der dort üblichen Brandrodung hatten die Flächen riesige Mengen Kohlendioxid freigesetzt, die vorher im Holz ihrer Bäume steckten. Diese Biomasse regenerieren die Sekundärwälder wieder und beeilen sich damit sehr: Im Durchschnitt nehmen sie jährlich elfmal mehr Kohlenstoff als Urwälder auf. Dennoch dauert es 66 Jahre, bis sie 90 Prozent der ursprünglichen Biomasse wiedergewonnen haben. Solche Zahlen zeigen nicht nur, welche Mengen Kohlendioxid bei der Brandrodung in die Luft geblasen werden. Sie demonstrieren auch, dass Aufforstungen auf solchen Kahlschlägen viel Kohlendioxid wieder zurückholen können.

Jedoch gilt das nur für regenreiche Regionen. In trockenen Gebieten erholen sich die Wälder langsamer. Dort sollten die letzten vorhandenen Urwälder daher besonders streng geschützt werden, so die Forscher. Die feuchteren Regionen eignen sich besonders für Wiederaufforstungsprogramme.

Um Naturschützern und Politikern die richtige Auswahl ihrer Maßnahmen für die jeweiligen Gebiete zu erleichtern, liefert Lourens Poorter auch gleich noch Karten von Süd- und Zentralamerika, in denen die Gebiete mit guten Chancen für eine Wiederaufforstung grün und die Regionen, die sich nur schlecht wiederherstellen lassen, rot und orange gekennzeichnet sind.

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