Die öffentliche Verwendung eines zentralen Zeichens christlicher Identität war, so scheint es, die Grundlage des Erfolgs des Kaisers Konstantin Anfang des vierten Jahrhunderts. In einer militärisch schwierigen und für ihn und sein weiteres Wirken gefährlichen Situation hörte er auf ein Traumgesicht, das ihm empfahl, ein zentrales religiöses Zeichen für die Kennzeichnung seiner Truppen zu verwenden und sich so dieser Gottheit in besonderer Weise zu verpflichten. Im Traumgesicht sah er ein Kreuz und vernahm folgende Worte: "In diesem Zeichen wirst du siegen." Der Sieg über seinen Konkurrenten gelang. Das Kreuz im öffentlichen Raum und die Geburt eines "christlichen" Europa gehören, so scheint es, seither zusammen.
Christliches Europa
Der Kaiser deutete seinen Sieg als übernatürliches Eingreifen der neuen Gottheit und zeigte sich erkenntlich, indem er den Anhängern dieses neuen Gottes, der jungen Christenheit, Freiheiten ermöglichte, die diese bisher nicht hatten. Römischer Kaiser und christliche Religion gingen aus dieser militärisch schwierigen Situation erfolgreich und gestärkt hervor. In der Folge gingen Staat und Kirche dann, so die Meinung zahlreicher Forscher, im vierten Jahrhundert aufeinander zu und gestalteten das, was sich in weiterer Folge zum "christlichen Europa" entwickeln sollte.
In Bayern und Italien träumen Politiker im Jahr 2018 von einem ähnlichen Wunder und veranlassen die Anbringung von Kreuzen in öffentlichen Räumen. Die
Parallele zu Kaiser Konstantin ist offensichtlich, der dauerhafte Sieg weit weniger gewiss. Politiker wie Markus Söder in Bayern verweisen darauf, dass es sich bei diesem zentralen christlichen Zeichen um ein "Bekenntnis zur Identität", die als "europäisch-christliche Identität" gefasst wird, handeln würde. Diese Identität wird teilweise auch zu einer "jüdisch-christlichen Identität" erweitert. Dies soll die Integrationsfähigkeit der "christlichen Identität" Europas noch einmal untermauern.
Eine derartige Integrationsfähigkeit scheint sich gerade auch anhand des Weihnachtsfestes zu zeigen, dessen Einführung in der Spätantike einen grundsätzlichen Wandel der christlichen Identität anzuzeigen scheint.
Heidnische Konkurrenz
Das Weihnachtsfest entstand um die Mitte des vierten Jahrhunderts in einer Zeit, als das Christentum und die nichtchristlichen Kulte des Römischen Reiches parallel existierten und durchaus auch in einer - teilweise sehr heftigen - Konkurrenz zueinander standen. Es entstand in einer Zeit, als diese heidnische Konkurrenz mit der Person des Kaisers Julian einen mächtigen Fürsprecher erhielt. Kaiser Julian war zwar christlich erzogen worden, distanzierte sich jedoch als Herrscher von seiner christlichen Identität und förderte die römischen Kulte. Sein Reformprogramm umfasste strukturelle und theologische Aspekte. Er wollte den römischen Kulten eine organisatorische Struktur geben, die sich von den hierarchischen Strukturen der Kirche inspirieren ließ, und unternahm den theologischen Versuch, die einzelnen Kulte im Römischen Reich im Sinne einer von der Philosophie inspirierten Theologie als Glauben an ein höchstes Wesen zu verstehen, das sich nur in verschiedenen Kulten manifestiert.