Auch wenn nur noch zwei Drittel der Österreicher bekennende Christen sind, so gehört für drei Viertel aller Haushalte im Land der Christbaum einfach zum 24. Dezember dazu. Und so werden wohl auch heuer wieder 2,6 bis 2,7 Millionen Nordmanntannen, Fichten und andere Nadelbäume am Heiligen Abend die heimischen Wohnzimmer zieren. 2,5 Millionen davon kommen aus dem Inland. "Die Österreicher lieben und schätzen echte heimische Bäume", sagt Franz Raith, seit ihrer Gründung 1995 Obmann der Arge Niederösterreichischer Christbaumbauern. "Das wissen wir aus Umfragen, bei denen das 95 Prozent angegeben haben. Im Osten Europas beträgt der Anteil der Plastikbäume bis zu 50 Prozent." Laut Raith beträgt der Eigenversorgungsgrad 100 Prozent, nur wenige Händler importieren Christbäume aus dem Ausland, während ein bisschen etwas auch exportiert wird.

Ein Meter Christbaum kostet zwischen 10 und 30 Euro, je nach Qualität. "Die Bäume wachsen unterschiedlich schnell. Sehr schön und dicht gewachsene Bäume kosten natürlich mehr, aber insgesamt sind die Preise seit langer Zeit stabil", betont der Vereinsobmann. Er erklärt das mit der Größe der Anbauflächen: "Die Bauern haben im Durchschnitt rund fünf Hektar, damit können sie die Bäume viel besser pflegen, was wiederum die Ausbeute erhöht. Bei den skandinavischen Plantagen beträgt sie an die 50 Prozent, in Österreich sind es bei guter Qualität 70 bis 80 Prozent. Damit rentiert es sich auch bei diesen Preisen für die Bauern." Die heimische Christbaumproduktion ist also klein, aber fein. "Bei uns gehört ein Betrieb mit 10 bis 20 Hektar zu den Großen – in Dänemark wäre er auch mit 30 Hektar ein kleiner Bauer, da hat man 100 Hektar und mehr." Freilich läuft die Christbaumproduktion bei den meisten Landwirten nur nebenher mit – was natürlich nicht bedeutet, dass die Bauern damit keine Arbeit hätten.

Die Samen kommen aus dem Kaukasus

Auch wenn es heimische Bäume sind – die Samen dafür kommen aus dem Kaukasus. Dort werden die Zapfen für dänische und deutsche Samenhändler geerntet. Raith betont, dass dort niemand ausgebeutet wird: "Wir haben uns das selbst mehrfach angeschaut. Die Zapfenpflücker werden sehr gut entlohnt. Unserem Geschäftsführer hat ein Lehrer erzählt, dass er in den paar Wochen Ernte genauso viel verdient wie er und seine Frau gemeinsam in einem halben Jahr." Zu Medienberichten über Zapfenpflücker, die ungesichert auf 30 Meter hohen Tannen herumklettern und mehrere Tote und Verletzte jedes Jahr stellt der Christbaumhändler klar: "Viele verwenden die Sicherung einfach nicht, obwohl sie eine bekämen. Aber sie wollen mehr ernten und schwingen sich dafür von einem Baum zum anderen, statt hinunter und wieder hinauf zu klettern – da wäre die Schutzausrüstung hinderlich. Es wird aber niemand daran gehindert, sich abzusichern." Der Job ist also gefährlich, aber lukrativ.

Seit sieben Jahren gibt es übrigens Fairtrade-Christbaumsamen – bei den Konsumenten wird das aber erst in gut fünf Jahren ankommen. Denn, so Raith: "Vom Samenpflücken bis zur Pflanzung dauert es drei bis vier Jahre. Und ein Baum muss dann sechs bis acht Jahre wachsen, bis er seine 1,70 Meter erreicht hat." Raith setzt neue Bäume übrigens nicht im Frühling, sondern erst im Herbst. "Im Frühjahr sind sie anfälliger gegen die Trockenheit, wenn sie nicht über den Winter Wurzeln gebildet haben. Das ist vielen nicht bewusst." Warum das so ist? Eine Nordmanntanne treibt von Ende April bis Anfang September aus, "danach bildet sie kein Grün mehr, sondern hauptsächlich Wurzeln aus", erklärt der Landwirt. "Wenn ich den Baum also im September setze, wurzelt er über den Winter an und kann viel besser wachsen."

Der heurige Sommer wird sich später auswirken

Dass der heurige Sommer besonders heiß und trocken war, werden die Österreicher am Heiligen Abend 2018 noch nicht bemerken. Was die aktuellen Christbäume betrifft, hat Raith in der Größenordnung bis 2,5 Meter zumindest in Niederösterreich bisher keine Schäden gesehen, "in Deutschland schon". Die frischen Triebe und die Nadeln sind dort kürzer gewachsen. Insgesamt ist das Angebot fürs heurige Weihnachtsfest also gesichert. Bei den Bäumen für die kommenden Jahre sieht es aber weniger gut aus. Viele Setzlinge sind heuer vertrocknet, sodass mit hohem Aufwand nachgepflanzt werden musste. Die Christbaumbauern hoffen nun auf feuchtere Jahre. Die Weißtanne leidet übrigens wesentlich mehr unter trockener Hitze als die Nordmanntanne, deren Samen aus dem Kaukasus kommen. Den Bäumen, die das dortige milde Klima gewohnt sind, dürfte auch jenes in Österreich zusagen.

"Das Hauptproblem haben die Fichten, die sind Flachwurzler, und die Coloradotannen, die aus den USA kommen. Dort ist es auch heiß, aber der Samen kommt aus 3000 Metern Höhe, und bei uns stehen sie in einer anderen Zone." Ein Problem ist, dass diese Bäume heuer besonders viele Zapfen ausgetrieben haben, "und das hat sie auch geschädigt". Viele Zapfen (und damit viele Samen zwecks Verbreitung) sind ein Zeichen für Stress durch lange Trocken- und Hitzeperioden. Die Coloradotannen haben auch oft nicht so schöne Wuchsformen, erklärt Raith: "Von 100 gepflanzten Coloradotannen oder Blaufichten kann man vielleicht 30 bis 40 als Christbäume ernten, bei 100 Nordmanntannen sind es 70 bis 80." Es hat also schon seine Gründe, warum die Nordmanntanne in Österreich dominiert. "Sie hat eine schöne Wuchsform, ist schön grün und hält die Nadeln am besten, allerdings duftet sie nicht so stark wie etwa die Fichte." Das liegt daran, dass die Tannen mehr Wachs auf den Nadeln haben. Deshalb nadeln die Fichten stärker, geben aber auch mehr Harzgeruch ab. Wenn die Nordmanntanne am Heiligen Abend zu wenig duftet, kann man einen Weiß- oder Silbertannenzweig unter den Baum legen, damit es richtig nach Weihnachten riecht.

Nach Rot sind heuer natürliche Farben gefragt

Und so ein Reisigzweig macht sich ja auch als Dekoration ganz hübsch. Apropos: Hier gehen die Österreicher zwar mit der Zeit, was den Einsatz von LEDs statt echter Wachskerzen betrifft. Ansonsten halten sie sich oft an die jeweilige Familientradition, was den Baumschmuck betrifft. Aus den verschiedensten Bereichen des Wiener Fachhandels wird gemeldet, dass zu den Dekorationshighlights 2018 besonders natürliche Farben bei Kugeln und Schmuck aller Art zählen – Creme, Beige und Brauntöne stehen also heuer hoch im Kurs. Voriges Jahr dominierte die Farbe Rot.

Ebenfalls beliebt sind laut der Wiener Wirtschaftskammer Glas- und Alu-Dekorationen, auch in Form von Vintage-Figuren – neben den nicht wegzudenkenden Schokoschirmchen, Windringen und anderen Süßigkeiten, die nicht nur die Kleinsten gerne vom Baum pflücken, wobei sich das sukzessive reduzieren dürfte. Laut einer GfK-Umfrage aus dem Vorjahr haben zwar fast 85 Prozent der Österreicher ihren Christbaum mit bunten Kugeln geschmückt, aber nur noch rund 50 Prozent mit Naschzeug. Aus der Mode kommt auch Lametta, um nicht zu sagen: Es stirbt allmählich aus, nachdem vor drei Jahren der letzte deutsche Hersteller zugesperrt hat. 2017 haben immerhin noch gut 40 Prozent der befragten Österreicher ihren Baum mit glitzerndem Engelshaar geschmückt. Ebenso viele würfeln ihren weihnachtlichen Schmuck bunt zusammen. Und 35 Prozent behängen ihren Baum mit schlichten Strohsternen. Beim Kunsthandwerk will der Wiener Innungsmeister Wolfgang Hufnagl in Bezug auf die Weihnachtsdekoration nicht von Trends sprechen, sondern von "kreativer Originalität" der verschiedenen Designer, die vermehrt auf alternative und Naturmaterialien wie Filz oder das sogenannte Upcycling setzen.

Was den Baum selbst betrifft, gibt es ein Ost-West- beziehungsweise Nord-Süd-Gefälle, meint Raith: "Wo mehr Gebirge und Wald ist, werden mehr reihige und weniger dichte Christbäume bevorzugt, während sie in der Stadt, wo es an Grün ohnehin mangelt, möglichst dicht und grün sein sollen. Ich wage immer wieder zu behaupten, dass wir in Österreich die schönsten Christbäume Europas haben."