Zum Interview treffen wir einander im Stiegenhaus. Die zwei aus der Küche rausgestellten Sessel befinden sich im vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zueinander. Meine Nachbarin hat sich für das Gespräch etwas Zeit genommen, zwischen den morgendlichen E-Mails und der ersten Teambesprechung per Video. Astrid Anna Behrens hat das "Außenministerium" - wie sie es selbst nennt - der Universität für angewandte Kunst Wien in ihr Wohnzimmer verlegt, ein Stockwerk über meinem. Nun leitet sie das International Office von dort. Der Betrieb soll nämlich so gut es geht aufrechterhalten bleiben, auch wenn das Universitätsgebäude geschlossen ist.
So wird weiterhin an diversen Programmen gearbeitet, mit Partnerinstituten Kontakt gehalten, werden Austauschstudentinnen und -studenten betreut. So gibt es auch weiterhin Parteienverkehr. "In den Kernzeiten sind wir digital für die Studierenden da", betont Behrens, die in einem Viererteam arbeitet. Und Anfragen gibt es genug. Vor allem in der ersten Woche der Schließung war die Verunsicherung groß, auch Kollegen von anderen Universitäten wollten im Stundentakt wissen, wie es weitergeht. Ein Telefonanruf ging beinahe nahtlos in den anderen über. Die Fragen der Studenten: Soll ich zurückkommen? Kann ich im Herbst mein Erasmus-Jahr antreten? Wird die eine oder andere Deadline verschoben? "Glaskugel-Fragen" - so bezeichnet Behrens das, worauf damals noch niemand eine Antwort hatte.
"Es war eine große psychische Belastung", sagt sie - und zeigt sich froh über die Supervision, die ihr der Arbeitgeber ermöglichte. Denn die Gespräche, die in einem Büro der Universität sachlich und zielgerichtet sind, werden am Telefon auf einmal viel persönlicher. Da kann es dann auch passieren, dass die Mutter eines österreichischen Studenten, der sich gerade in Mexiko aufhält und im Moment nicht erreichbar ist, um Rat fragt, was der Sohn tun solle - und dabei in Tränen ausbricht.
Oder das Beispiel einer Studentin aus Skandinavien: Sie hat ihre Heimat hinter sich gelassen, hat auch keine Familie mehr dort. In Österreich wollte sie sich ein neues Leben aufbauen. Doch kaum ein paar Wochen hier - Ausgangssperren, Universität zu, soziale Integration fast unmöglich. Das International Office tat, was es konnte. Für die junge Frau ist mittlerweile sowohl ein geeignetes Arbeitsprogramm als auch ein Platz in einer WG gefunden.
Reden gegen Lagerkoller
Ihr Vollzeitjob ist aber nicht das Einzige, worum sich Behrens kümmern muss. Die Alleinerzieherin hat zwei Söhne, 13 und 16 Jahre alt, von ihr liebevoll "Puber-Tiere" genannt. Diese seien recht "selbstorganisiert", erledigen ihre Schulaufgaben ohne große Diskussionen. Gemeinsames Essen findet nun immer statt.
Lagerkoller? "Um das zu verhindern, machen wir unsere Abendrunden", erzählt Behrens. Dabei soll jeder seinen Tag Revue passieren lassen, mit 1 bis 5 benoten. Und sich auch bewusst werden, wie viel Gutes es im eigenen Leben gibt.
Denn Behrens ist überzeugt: "Die Krise hat neben ihren Schatten- auch Sonnenseiten." Sie werde ebenso im akademischen Bereich Fragen hinterlassen. Wie Hochschulen digital funktionieren können zum Beispiel. Oder wie sich Mobilität verändert. Das betrifft Lehrende wie Studierende - und wohl auch so manchen Touristen.