Die Bestellungen trudeln derzeit im 5-Minuten-Takt ein. Ein ungewöhnliches Intervall für die Kleidermacherin. Doch es sind keine Oberteile, Kleider oder Röcke, die bei der Wiener Modemacherin Katja Rozboril unter www.karja.at  bestellt werden. Es sind selbst entworfene und aus Herrenhemden genähte Schutzmasken - zweilagig, 100 Prozent Baumwolle, bei 90 Grad waschbar.

Geplant war das Umsatteln von Damenbekleidung auf Masken nicht. Nachdem klar war, dass sie ihr Geschäft im 4. Bezirk würde vorübergehend schließen müssen, hatte die Schneiderin eigentlich vor, einen Online-Shop für ihre Mode aufzubauen. "Bei den Masken war da am Anfang bloß die Neugier, wie man so etwas als Modemacherin umsetzt. Da war der Reiz, einen Schnitt zu entwickeln - einfach nur für mich."

Nachdem die ersten Masken für die eigene Familie fertig waren, begannen die Anfragen einzutrudeln. Und die Nachfrage war schnell enorm - auch dank Onlineplattformen, die lokale Produzentinnen unterstützen. Die einschneidendste Veränderung für die Mutter von zwei Buben war, das Atelier nach Hause zu verlegen: "Das war eine Premiere für mich. Ich dachte immer, das geht gar nicht." Doch es funktioniert besser als erwartet, auch wenn Rozboril mitunter die halbe Nacht vor den Maschinen sitzt. Das Schönste daran: "Dass meine Kinder meine Arbeit jetzt so richtig kennenlernen."

Der zweite prägende Schnitt war und ist der nur noch telefonische Kontakt zu ihren Eltern, den in den Alltag der fünf- und neunjährigen Kinder ansonsten stark eingebundenen Großeltern. Drei- bis viermal pro Woche waren Oma und Opa bis zuletzt in die Abholung und Betreuung der Kinder im Familienleben sehr präsent: "Wie sehr uns das allen abgeht, ist enorm."

Der Shop mit zwei Verkaufsräumen, dem anschließenden Stofflager und der Werkstatt ist seit 12. März geschlossen: "Das Coronavirus war lange nicht real für mich, war sehr abstrakt. Und hat mich nicht bedroht. Doch bei den Schulschließungen war mir klar: Das ist ernst."

In den ersten Tagen danach waren die Gedanken an das Nähen eher im Hintergrund. In der ersten Woche ging es vor allem darum, den neuen Familienalltag zu organisieren, möglichst viel in den Wald zu gehen, den eigenen Medienkonsum einzuschränken. Mittlereile stehen im Spielzimmer drei Industrienähmaschinen. "Es war erst gar nicht klar, ob die überhaupt in den Lift passen."

Den Basteltisch hat die Einzelunternehmerin zum Zuschneidetisch umfunktioniert, die Kinderbetreuung teilt sich Rozboril mit ihrem Mann, der jetzt ebenfalls von zuhause arbeitet. In der ersten Woche seit Produktionsstart hat Katja Rozboril gut 300 Masken verschickt, Hemden hat sie noch genug für die kommenden zwei Wochen. Dass der Vorrat noch so groß ist, liegt daran, dass sich die Wienerin auf Upcycling spezialisiert hat: Sie fertigt ihre Kollektionen aus alten Transportdecken, Schals - und eben Herrenhemden.

"Ich bin froh darüber, dass ich in dieser Krise etwas Sinnvolles und Positives beitragen kann. Menschen werden sich bewusst, dass wir jetzt etwas machen, das alle brauchen. Diese Wertschätzung für Handwerk ist durch die Krise sicher bewusster geworden. Da findet auch ein Umdenken statt: Den Leuten ist es wieder wichtig, dass etwas vor Ort produziert wird." Ob dieser Effekt bleiben wird? "Manche Dinge vielleicht", meint die Kleidermacherin skeptisch. Was zumindest bis zum Sommer halten wird: "Immer mehr Anfragen kommen mit der Bitte um lustige Motive oder bunte Stoffe. Das macht klar: Masken sind das unerlässliche Accessoire dieser Frühlingssaison. Und wie alle Accessoires nutzen Menschen sie für ein modisches Statement."