Erfried Malle ist es gewohnt, viel unterwegs zu sein. Der Gründer und Obmann von Sonne International ist für seine NGO unermüdlich im Einsatz, gemeinsam mit fünf Mitarbeitern und einem Dutzend Ehrenamtlicher hat er Hilfsprojekte in Bangladesch, Indien, Myanmar und Äthiopien aufgebaut. Dadurch erhalten nun Nomaden eine medizinische Versorgung und entlegene Dörfer sauberes Wasser oder Schulen.
Immer wieder besucht Malle die Projekte, stellt sie mitgereisten Spendern vor, hält mit Angestellten vor Ort, mittlerweile sind es mehr als 100, Kontakt. Nun muss aber auch Malle seine Arbeit vom Wohnzimmer aus koordinieren.
Dass er dort gelandet ist, war ohnehin knapp. Zwei Tage, bevor die Flugverbindungen eingestellt wurden, kam er aus Bangladesch zurück. Und am Beispiel Bangladesch zeigt sich nun auch, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf eine NGO wie Sonne hat. Auch dort gibt es Ausgangsverbote. Die Dorfschulen sind geschlossen, Berufsausbildungsprojekte wurden gestoppt, selbst mobile Kliniken musste Sonne einstellen, weil die Regierung Menschenansammlungen befürchtet. Malle geht das nahe. "In unsere Schulen gehen hunderte Kinder, viele Familien kenne ich schon jahrelang persönlich."
Einzelne Hoffnungsschimmer
Also unternimmt Sonne, was noch möglich ist. Zum einen setzt die Organisation nun Lehrer als Gesundheitsbeauftragte ein, die im Dorf Aufklärungsarbeit leisten und Masken verteilen. Zum anderen zahlt die NGO die Gehälter der auch beschäftigungslosen Mitarbeiter weiter. "Sie haben Familien und müssen diese auch während der Krise ernähren."
"Wir werden das machen, so lange wir das noch können", sagt Malle. Leicht wird das nicht. "Die privaten Spenden sind eingebrochen", berichtet der 54-Jährige. Hoffnung machen ihm aber einzelne, sehr großzügige Ausreißer, wie ein Spender, der plötzlich 500 Euro überwies, "weil er, wie er sagte, heuer eh nicht auf Urlaub fahren kann". Hoffnung macht Malle ebenfalls, dass die meisten großen Projektpartner, das sind Stiftungen, an Bord bleiben wollen. Diese haben nun auch der Umwidmung und Ausweitung zweier Projekte zugestimmt - der einzigen, die nun auch auf Wunsch der Regierung auf gar keinen Fall geschlossen werden dürfen.
Sonne betreibt zwei Gesundheitsstationen für aus Myanmar vertriebene Flüchtlinge der Rohingya-Minderheit und ist dabei für mehr als 50.000 Menschen zuständig. "Wir haben Schutzkleidung gekauft, verteilen Seifen, Masken und klären durch Flugblätter auf", berichtet Malle. Er kommuniziert jeden Tag mit dem örtlichen Leiter über WhatsApp. Und auch mit seinen anderen Mitarbeitern hält er Kontakt. Sie berichten ihm, dass nun viele Menschen ihr Einkommen verloren und Angst haben, ihre Familien nicht mehr ernähren zu können. Das beunruhigt Malle, der von Großstadtslums über entlegenste Dschungeldörfer bis zu unwirtlichsten Wüstenregionen schon viel Armut gesehen hat.
"Ich habe große Angst davor, wie sich die Situation in armen Ländern entwickeln wird", sagt er. "Es gibt keinen Sozialstaat. Wenn die Menschen ihren Job verlieren, sind sie auf ihr familiäres Auffangsystem angewiesen. Doch das droht die Corona-Krise auch zu zerstören."