Bei Elisabeth D. klingelt das Telefon in diesen Wochen häufiger als sonst. Sie hört den Menschen zu, tröstet sie, spricht ihnen Mut zu. "Der Mensch ist so konstruiert, dass er alle Krisen durchsteht." Diesen Satz gibt sie ihren Anrufern am Ende des Gesprächs mit.
D. ist ehrenamtliche Telefonseelsorgerin bei der Diözese Wien. Rund 150 Mitarbeiter kümmern sich um die Anliegen der Menschen, die sich sonst nicht zu helfen wissen. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar. In Zeiten des Coronavirus nimmt der Bedarf stark zu. Statt 100 Anrufe am Tag sind es jetzt bis zu 170. "Die Menschen haben Sorgen, weil sie so viel Zeit daheim verbringen müssen", sagt D. Ältere Menschen fühlen sich einsam. Sie haben Angst, sich anzustecken. "Die Ungewissheit macht vielen zu schaffen", erzählt sie.
Ein Spaziergang, der Besuch im Supermarkt: Die Außenwelt fehlt den Menschen. Großeltern sehen ihre Enkelkinder nur noch digital auf dem Smartphone oder Tablet. Bei den Jüngeren werde das familiäre Umfeld als zu belastend empfunden. "Junge Menschen haben mehr Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen", sagt D. Das werfe viele Fragen auf. Die Krise lässt die Arbeitslosenzahlen steigen. Viele sorgen sich deshalb auch um ihren Job. "Die Menschen erzählen mir, dass die Maßnahmenpakete der Regierung sie nur wenig beruhigen, weil sie nicht wissen, wie es nach der Krise weitergehen soll", sagt die Telefonseelsorgerin. Neben dem Gespräch am Telefon gibt es auch die Möglichkeit, sich per Mail oder Chat beraten zu lassen. Dort gebe es seit Ausbruch der Corona-Krise eine vermehrte Nachfrage, gerade von jüngeren Menschen.
Wie alle anderen ehrenamtlichen Mitarbeiter hat auch D. eine einjährige Ausbildung zur Telefonseelsorgerin absolviert. "Man verpflichtet sich, für mindestens zwei Jahre dabei zu sein", sagt sie. Die meisten würden aber über viele Jahre bleiben. In ihrem Hauptberuf ist D. Trauerrednerin bei Bestattungen. Bei Begräbnissen ohne Priester leitet sie die Zeremonie, spricht über die Verstorbenen. Sie weiß, wie wichtig Einfühlungsvermögen ist. Die Menschen, die bei D. anrufen, bleiben anonym. "Wir bringen den Menschen Wertschätzung entgegen, egal wie abstrus ihr Anliegen sein mag", sagt D. Sie gibt ihnen Ratschläge, hört ihnen zu, ist präsent. "Für die Dauer des Gesprächs versuche ich, eine Beziehung aufzubauen."
Für die Anrufenden ist das Gespräch eine Entlastung. "Was soll ich machen" ist eine der häufigsten Fragen, die D. gestellt bekommt. "Wir antworten den Menschen dann: Was hat ihnen denn früher geholfen?" D. übernimmt meistens den Nachtdienst, den sie sich mit einem Kollegen teilt. Bis Mitternacht würden die meisten Anrufe kommen, danach werde es ruhiger. "Am Abend kommen die Probleme heraus", sagt D. Viele rufen etwa an, weil sie nicht schlafen können. Auch Beziehungsprobleme sind oft ein Thema. Aber auch Menschen mit psychischen Vorerkrankungen wenden sich an die Seelsorge.
"Für diese Menschen ist die Isolation noch schlimmer. Denn sie haben in der Regel weniger Sozialkontakte als gesunde Menschen", sagt D. Viele Menschen, die anrufen, seien sozial nicht gut gestellt. Sie haben nur kleine Pensionen oder geringes Einkommen. "Manche haben keinen Computer oder Fernseher", sagt D. Diese Menschen befürchten, dass von den Regierungshilfen nichts für sie übrigbleibt. Trotz all der Ängste und Nöte gebe es aber auch viele positive Momente. "An dem tiefen Seufzer am Ende des Gesprächs merke ich, dass es den Menschen besser geht", sagt D.