"Wiener Zeitung": Ihre Installationen während der Festwochen sind Teil des Projekts "Unruhe der Form", das sich mit Fragen des politischen Subjekts und Widerstand beschäftigt. Welche Rolle spielt die Kunst?
Schorsch Kamerun: Kunst kann kaum politisch verändern. Kunst kann thematisieren und Dinge bewusst machen, begleiten oder aufzeigen, aber sie ist nur sehr selten wirklich Teil von politischen Umbrüchen oder politischen Bewegungen.
"Wiener Zeitung": Vor allem auch, weil Kunst immer mehr mit kommerziellen Interessen verbunden ist?
Kamerun: Zu den vielen Widersprüchen in denen wir leben zählt, dass subventionierte Kunst zunehmend durch Privatwirtschaft unterstützt wird. Aber subventionierte Kunst sollte absolut frei sein. Das ist mit dem öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag vergleichbar: der Bürger bezahlt, er leistet sich die Kultur.
"Wiener Zeitung": Wie unabhängig ist Kunst dann noch?
Kamerun: Es gibt noch niemanden, der einen groß zensieren würde. Problematisch ist das Sponsoring allerdings dann, wenn ins Programm eingegriffen wird. Das ist zum Teil schon der Fall. Eigentlich müsste der Bürger dagegen klagen. Denn die Theater gehören uns! Wir bezahlen sie auch. Und wenn wir schon dafür bezahlen, dann müssen diese Institutionen auch frei bleiben!
"Wiener Zeitung": Haben Sie selbst schon mal Interventionen erlebt?
Kamerun: Nein, nur auf Plakaten habe ich schon mal Banken rausgestrichen. Extrem ist das Sponsoring aber mittlerweile in der Popkultur, vor allem bei größeren Festivals, wo sich oft wahre Kooperationsmonster tummeln. Das ist fast schon wie beim Fußball, wo die Spieler vor den Werbewänden ihre Interviews geben und schon am Kragen ihre Logos haben. Anderseits: ich muss mich ja nicht vor einen Banner stellen.
"Wiener Zeitung": Frei sein kann man ja, aber dann wird es wohl schwer, Auftritte zu finden.
Kamerun: Es gibt immer noch das autonome Jugendzentrum. Und dort spiele ich mit den Goldenen Zitronen auch weiterhin. Und das ist für mich aber auch kein Grund, nicht auch am Theater meine Sachen zu machen. Ich bin sehr experimentierwütig. Ich spiele seit 30 Jahren in dieser Band – und ich will nicht immer nur dastehen und neben mir immer denselben Gitarrist sehen. Das ist öde. Wie Bands das nur aushalten?