Stephansdom, Kaffee, Sachertorte, Prater. Wien ist für vieles berühmt. Doch neben diesen Tourismusmagneten ist der Wiener vor allem auf eines stolz – den Gemeindebau. Denn seit dem Ende des Ersten Weltkriegs gilt die Bundeshauptstadt als Vorreiter des städtischen Wohnbaus. Mit geschwollener Brust erzählt die Sozialdemokratie die Erfolgsgeschichte des Roten Wien - als Bürgermeister Jakob Reumann die sogenannte Reichensteuer einführte, Geld in Sozialleistungen floss und Gemeindebauten wie Pilze aus dem Boden schossen. Noch heute kommen Experten aus aller Welt, um aus den Strukturen des Wiener Wohnbaus zu lernen. Doch ist Wohnen in Wien tatsächlich so günstig oder ist die Geschichte des kommunalen Wohnbaus nur ein längst vergangenes Märchen, ein weiteres Klischee der Stadt? Wie ist die Situation auf dem Wiener Wohnungsmarkt also tatsächlich?

Drei Viertel der 1,741 Millionen Wienerinnen und Wiener leben in Mietwohnungen - davon rund 500.000 im Gemeindebau. Das ist immerhin die Einwohnerzahl von Kärnten, was die Stadt Wien zum größten Vermieter der Welt macht. Trotz dieses extrem hohen Anteils an günstigen Sozialwohnungen kämpft auch Wien mit schnell ansteigenden Mietpreisen. So sind die Mieten seit 2004 durchschnittlich um 23,9 Prozent gestiegen. Die Löhne erhöhten sich – im Vergleich dazu –jedoch wesentlich geringer. Pensionisten verdienen seither nur um etwa 21,4 Prozent mehr, Unselbstständige um 13,3 Prozent und Selbstständige sogar um 2,1 Prozent weniger.


Dadurch erhöhte sich auch der Anteil des Haushaltseinkommens, der für das Wohnen aufgewendet werden muss. Laut Statistik Austria beträgt er bei der Hälfte der österreichischen Haushalte bis zu 16 Prozent. In urbanen Räumen wie Wien ist dieser Wert jedoch höher und liegt bei zirka 22 Prozent. Denn in Städten leben mehr Menschen in Mietwohnverhältnissen, der teuersten Wohnform in Österreich.

Je kleiner der Haushalt, desto größer wird der Anteil des Haushaltseinkommens, der fürs Wohnen ausgegeben wird. Einpersonenhaushalte oder Alleinerziehende Eltern steigen also am schlechtesten aus. Wobei allein lebende Männer um drei Prozent weniger ausgeben müssen als allein lebende Frauen. Diese Differenz liegt am durchschnittlich besseren Einkommen von Männern. Grundsätzlich zeigt sich, dass der Wohnkostenanteil mit ansteigendem Haushaltseinkommen abnimmt.

Gute Platzierung im Weltranking

Trotz Mietanstieg können sich die Wiener glücklich schätzen, über so viele Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen zu verfügen. Denn diese drücken den Mietanstieg. Während die Kostensteigerung von privaten Mietwohnungen zwischen 2009 und 2013 in ganz Österreich bei insgesamt 17,2 Prozent lag, stieg sie bei Genossenschaftswohnungen um lediglich 10 Prozent. Bewohner des Gemeindebaus mussten nur um 8,3 Prozent mehr zahlen.

Deshalb ist Wohnen in Wien – verglichen mit dem Rest der Welt – immer noch relativ erschwinglich. Am höchsten sind die Mieten in Hongkong, gefolgt von Moskau und Caracas. Im weltweiten Ranking der teuersten Städte liegt Wien auf Platz 59. Aber auch im europäischen Vergleich schneidet Wien gut ab. Durchschnittlich bezahlt man in Europa 2100 Euro Miete für eine 80-Quadratmeter-Wohnung. In Wien würde eine Wohnung dieser Größe - mit 1150 Euro - nur fast die Hälfte kosten.