Die Stadt Wien ist in den vergangenen 30 Jahren um die Einwohnerzahl von Graz gewachsen. Und sie wächst weiter. Schenkt man den Prognosen Glauben, wird sie die Zwei-Millionen-Grenze bereits 2029 knacken. Bis 2034 sollen nochmals 335.000 Menschen – also wieder so viele, wie heute in Graz leben – dazu kommen. Damit gehört Wien zu den am schnellsten wachsenden Metropolen der Europäischen Union. Diese Entwicklung stellt die Stadtverwaltung vor die gewaltige Herausforderung, in relativ kurzer Zeit, Wohnraum für Hunderttausende zu schaffen.

Und so dröhnen seit einigen Jahren in der ganzen Stadt Schremmhämmer und Mischmaschinen. Zum einen werden die innerstädtischen Bezirke - etwa durch Dachausbauten – verdichtet, zum anderen die letzten weißen Flecken auf der Landkarte bebaut. Die sogenannten großen Stadtentwicklungsgebiete befinden sich oft an den Peripherien der Stadt aber auch im Zentrum, auf den Gebieten ehemaliger Industrieanlagen und Bahnhöfen. Sie sind Städte inmitten der Stadt.

Flugfelder und Bahnhofsareale

Das wohl bekannteste und am meisten beworbene Bauprojekt ist die Seestadt Aspern im Nordosten Wiens. Auf einem ehemaligen Flugfeld werden bis zum Jahr 2028 rund 240 Hektar Land verbaut – das entspricht einer Fläche von 340 Fußballfeldern. 20.000 Menschen sollen bis zur Fertigstellung hier wohnen, ebenso viele Arbeitsplätze sollen geschaffen werden. Im September 2014 wurden die ersten Wohnungen übergeben, bis 2016 werden 2.600 Wohneinheiten rund 6.100 Menschen Platz bieten.

Auch auf ehemaligen oder neben betriebenen Bahnhöfen wird eifrig gebaut. Wie zum Beispiel am Areal des ehemaligen Südbahnhofs. Durch den Abriss des Bahnhofs im Jahr 2009 und der Absiedlung des Frachtenbahnhofs entstanden großzügige Freiflächen. Der relativ schlanke Bau des neuen Hauptbahnhofes konnte diese nicht füllen. Von den ursprünglichen 109 Hektar des alten Bahnhofsareals benötigt der neue Bau nur etwa 50. Auf dem verbleibenden Grund entstehen nun zwei neue Stadtteile, das Quartier Belvedere mir etwa 25 Hektar und das Sonnwendviertel mit etwa 34 Hektar Grundfläche. Beide befinden sich im 10. Bezirk. Das Quartier Belvedere wird Bürogebäude für rund 20.000 Arbeitsplätze sowie eine "Kulturmeile" erfassen, im Sonnwendviertel sollen bis 2025 insgesamt 5.000 Wohnungen für etwa 13.000 Menschen entstehen.

Zusammen größer als Aspern

Zwischen Augarten und rechtem Donauufer liegt der Wiener Nordwestbahnhof. Die zentrale Lage ist für Investoren und Bauträger besonders reizvoll. Noch werden große Teile des 44 Hektar großen Areals als Frachtenbahnhof benützt. Wo jetzt Waggone über die Gleiskörper rollen, sollen ab 2017 jedoch Bagger auffahren. 5.000 neue Wohnungen für etwa 11.800 Einwohner sind bis 2025 geplant. Rund ein Viertel der Fläche soll als Grünraum erhalten bleiben.

Ähnlich geht es dem benachbarten Nordbahnhof. Auch hier entsteht ein neues Stadtviertel. Laut Stadt ist die Bebauung des 85 Hektar großen Geländes mit rund 10.000 Wohnungen und 20.000 Arbeitsplätzen ist bis etwa 2025 vorgesehen. Gemeinsam bieten Nord- und Nordwestbahnhof somit mehr Wohn- und Bürofläche wie die Seestadt Aspern.

Sieben neue Entwicklungsgebiete

Neben diesen Großbaustellen Wiens werden im kommenden Jahrzehnt sieben weitere Areale in den Bezirken Floridsdorf, Liesing, Favoriten und Landstraße bebaut werden, wie Planungsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) bereits 2013 bekannt gab. Geplant sind auf insgesamt 177 Hektar 13.400 - größtenteils geförderte - Wohnungen für bis zu 33.000 Menschen. In Summe haben die sieben Areale die  Größe des Bezirks Wieden.

Auf dem 20 Hektar großen Gebiet in Floridsdorf, wo sich das Gaswerk Leopoldau befindet, sollen künftig 1.000 Wohnungen entstehen. Im selben Bezirk befindet sich das Donaufeld. Auf einem 60-Hektar-Areal sollen in einer ersten Phase dort circa 2.000 Wohnungen für bis zu 5.000 Städter entstehen, insgesamt sind sogar 6.000 Unterkünfte angedacht.

Vassilakou will Wohnraumbedarf übertreffen

In Landstraße wird der Franzosengraben weiterentwickelt. Auf einem 59 Hektar großen Gebiet sind circa 2.500 Wohnungen für 5.000 Menschen vorgesehen. Auch in Favoriten befinden sich zwei Grätzel, die von den Stadtplanern attraktiv gemacht werden sollen: Beim Viola Park sind auf zwölf Hektar rund 800 Wohnungen für 1.800 Menschen vorgesehen. Aufgewertet werden soll auch der Verteilerkreis - vor allem als Bürostandort.

In Liesing nehmen sich die Verantwortlichen das bereits zum Teil bebaute Entwicklungsgebiet In der Wiesen zur Brust, konkret den Ostbereich. Auf 15,8 Hektar könnten bis zu 1.200 Wohnungen für bis zu 3.500 Personen errichtet werden. Auf einem sieben Hektar großen Areal in Atzgersdorf im selben Bezirk sind wiederum bis zu 1.500 Wohnungen für 4.500 Bewohner angedacht.

Mit diesen Wohnprogrammen will die Stadt nicht nur den massiven Bedarf an Wohnraum decken, sondern diesen sogar übertreffen, wie Vassilakou immer wieder betonte. Bleibt zu hoffen, dass die riesigen neuen Wohnviertel die architektonischen und stadtplanerischen Fehler der alten Trabantenstädte nicht wiederholen und zu lebenswerten, vielfältigen Vierteln werden.