Wien wächst. Nicht nur an Einwohnern, sondern auch an Gebäuden. Neue Stadtviertel entstehen, neue Verkehrswege lösen alte ab, Bahnhöfe werden abgerissen und machen Raum für neue Häuser, Straßen, Parks oder Geschäfte. Demographen prophezeien, dass in Wien spätestens 2030 mehr als zwei Millionen Menschen in Wien leben werden. Die Stadt zählt zu den am schnellsten wachsenden Metropolen in der Europäischen Union, sie muss daher ausreichend Wohnraum generieren, neue Infrastruktur zu schaffen und Umgebungen zu planen, in der sich die Menschen wohlfühlen können. Viele Orte werden sich in Wien daher stark verändern. Und viele haben sich bereits verändert.

Aus der Vogelperspektive und im Vergleich über mehrere Jahrzehnte hinweg betrachtet, sieht man auf der ersten Blick vor allem Änderungen in den Randbezirken Wiens. Eines der bekanntesten und Bauprojekte der Gegenwart ist die Seestadt Aspern im Nordosten Wiens. Auf einem ehemaligen Flugfeld werden bis zum Jahr 2028 rund 240 Hektar Land verbaut – das entspricht einer Fläche von 340 Fußballfeldern. 20.000 Menschen sollen bis zur Fertigstellung hier wohnen, ebenso viele Arbeitsplätze sollen geschaffen werden.
Verlässt man die Perspektive von ganz weit oben weiter runter, so stechen vor allem die großen Bauvorhaben auf den riesigen Flächen alter mehr oder weniger noch genutzter Bahnhöfe heraus. Wie unlängst bekannt wurde, soll inWien-Favoriten auf ehemaligen ÖBB-Gelände das neue Stadtviertel "Neues Landgut" entstehen - mit mehr als 1.500 Wohnungen, einem Bildungscampus und mit einem Park. Mit dem vor rund sechs Jahren vollendeten Bau des Wiener Hauptbahnhofs entstand bereits ein neues Areal im 10. Bezirk, das Sonnwendviertel: Es entstand auf dem ehemaligen Gebiet des Südbahnhofs, die Fläche wird vorwiegend als Wohngebiet genutzt. Bisher wurden dort rund 5.000 Wohnungen errichtet.
Die beiden Areale des Nordbahnhofs und Nordwestbahnhofs wiederum sind .
Weiter im Norden Wiens wurden wiederum die Areale von zwei alten Bahnhöfen des 19. Jahrhunderts zum Ausgangspunkt neuer Stadtteile: Der Nordbahnhof und der Nordwestbahnhof, beide dienten viele Jahre als Güterbahnhof der ÖBB.
Aber auch in der Mikroperspektive zeigt sich, dass in Wien auch über schon längst vergangene Jahrzehnte hinweg nicht überall die Steine aufeinander blieben. Einen guten Eindruck über die Veränderungen des Wiener Stadtbildes zeigt der aktuelle Bildband "Wien gestern und heute", erschienen Ende des Vorjahrs im Berliner Verlag Eisengold erschienen ist. Das Buch stellt alte historische Aufnahmen, vorwiegend auf Postkarten verewigt, Fotos von heute gegenüber. Der Wiener Fotograf Reinhard Mandl hat sich dazu an den Perspektiven der historischen Vorlagen orientiert - kein leichtes Unterfangen, wie an vielen Beispielen ersichtlich wird, denn in der Zwischenzeit verdeckt so manches Objekt die Sicht oder verstellt den Weg. Auf den 50 Fotopaaren aus Fotos vom Frühjahr 2019 und ihren alten Aufnahmen - von der Innenstadt über die Alte Donau bis hoch hinaus auf den Leopoldsberg - zeigt sich zum einen, dass aus locker besiedelten Flächen dicht verbaute Areale wurden und zum anderen, allen voran bei Schlössern und besonderen historischen Bauten, dass sich kaum etwas verändert hat - sofern diese nicht geschliffen wurden, wie etwa die Rauchfangkehrerkirche in der Wiedner Hauptstraße zeigt.
Nicht mehr wiederzuerkennen ist die Aspernbrücke und ihr Rundherum, die 1863 als Verlängerung der Ringstraße über den Donaukanal in die Leopoldstadt in Form einer Kettenbrücke erbaut wurde. Sie wurde 1913 gesprengt, da sie zu schmal war für den zunehmenden Verkehr. Die Aspernbrücke, wie man sie heute kennt, wurde erst 1951 fertig gestellt, die Brücke, die dazwischen existierte, 1945 gesprengt.
Mehr Häuser gibt es auf alle Fälle zu sehen vom Wientalblick hinauf zu den Steinhof-Pavillons. Auch die Schienen liegen heute noch am Fuße des Hügels.
Ein Blick herab vom Leopoldsberg wiederum zeigt den Verlauf der Donau vor dem Bau der Insel, die 1987 zur Gänze an die Öffentlichjkeit übergeben wurde.
Und in einer der beiden Ansichten der Breitenfurterstraße in Liesing fehlt das Wasser: Der Liesingbach wurde nämlich mittlerweile überbaut.
Das Wasser ist auf dem Bilderpaar zur Unteren Alten Donau zwar geblieben, dafür hat sich am Ufer allerhand getan. Am Horizont konstant: die Wienerwaldberge, die letzten Ausläufer der Ostalpen.
Weitere Fotopaare aus der Sammlung Thomas Hofmann bzw. von Reinhard Mandl: Wien gestern und Heute, Elsengold Verlag, 2019.