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1. Frau an der Spitze der Eliteschule ENA

Von Heike Hausensteiner

Wissen

Die "Ecole nationale d'administration" (ENA), eine von Frankreichs Elite-Hochschulen, hat seit einigen Tagen die erste Frau als Direktorin.


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Staatspräsident Jacques Chirac hat es getan, ebenso Premierminister Lionel Jospin, Ex-Premierminister Alain Juppé, Finanzminister Laurent Fabius und die für Schulen und Hochschulen zuständige Staatssekretärin selbst, Ségolène Royal. Sie sind durch die hohe und harte Schule der ENA gegangen.

Wer immer im Geburtsland der westlichen Demokratie eine Spitzenposition in der Wirtschaft oder in der Politik einnimmt, hat zuvor meist eine Elite-Hochschule, genannt "Grande Ecole", absolviert. Die ENA zählt dazu, oder auch die "Ecole Polytechnique". Das Ausleseverfahren, um überhaupt als zukünftiger Elitenvertreter herangebildet zu werden, ist denkbar restriktiv. Nach der Reifeprüfung - in der Regel mit 19 Jahren und vorzugsweise in einem technischen oder naturwissenschaftlichen Zweig - können sich potenzielle ENA-Kandidaten erst einmal um Aufnahme in einer der "Classes préparatoires", der Vorbereitungsklassen bewerben. Hier wird zwei Jahre lang nur gepaukt - für die Aufnahmeprüfung an einer Grande Ecole.

Als "Maulwürfe" werden die erwachsenen Schüler der "classes prépa" gesehen, weil sie 50 bis 60 Stunden pro Woche nur strebern und kaum hinter den Büchern hervorkriechen. Ein Privatleben ist für zwei Jahre so gut wie nicht vorhanden. Mehr als 40.000 junge Franzosen bereiten sich jährlich für die Aufnahmeprüfung an einer Grande Ecole vor. Die Kandidaten mit den besten Prüfungsergebnissen können dann noch zwischen den begehrtesten Hochschulen - die untereinander um den besten Ruf rittern - wählen.

Die kleine Revolution dieser Tage besteht nicht nur darin, dass die neue ENA-Direktorin, Marie-Françoise Bechtel, eine Frau ist. An der 1945 gegründeten Elite-Hochschule sind Frauen immer noch in der Minderheit. Ihr Anteil liegt bei 36 Prozent, im Gründungsjahr waren es zwei Prozent. Was aber vor allem ein Novum ist: Marie-Francoise Bechtel, selbst eine "énarque", also ENA-Absolventin, hat nicht den klassischen "cursus honorum" für Spitzenfunktionäre absolviert. Sondern die promovierte Philosophin wurde vom Ministerrat nominiert, nachdem sie als Beste aus dem im gesamten öffentlichen Dienst üblichen "concours" hervorging.