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100 Jahre "Klimabündnis" Journalismus und Wissenschaft

Von Christa Karas

Wissen

Wissenschafter brauchen Beachtung. | Journalisten brauchen Sensationen. | Wien. "Fünf Jahre vor Anbruch des neuen Jahrhunderts warnten die größten Medien vor einem katastrophalen Klimawandel. Die New York Times berichtete in ihrem Aufmacher auf Seite 6 über die ernsthaften Befürchtungen von Geologen. - Nur: US-Präsident war damals nicht Bill Clinton, sondern Grover Cleveland, und die Times warnte nicht vor einer globalen Erderwärmung, sondern schilderte ihren Lesern die sich abzeichnenden Gefahren einer neuen Eiszeit."


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So beginnt ein Special Report des Business & Media Institute in Alexandria (US-Bundesstaat Virginia) mit dem Titel "Fire and Ice" vom 17. Mai 2006, in dem die Autoren R. Warren Anderson und Dan Gainor darauf hinwiesen, dass Journalisten zwar seit über 100 Jahren über den Klimawandel berichten, sich aber bis dato nicht entscheiden konnten, ob uns eine neue Eiszeit oder eine extreme Erwärmung bevorsteht.

Warm-Kalt-Warm

Keine Frage: Auch der bemüht seriöse Wissenschaftsjournalismus benötigt seine "Sensationen", davon war nicht einmal die "Times" je ausgenommen. Sie leitete nach Anderson und Gainor im Jahr 1895 lediglich eine von vier verschiedenen publizistischen "Klima-Perioden" ein, beginnend bei einem Szenario, demzufolge Kanada heute längst unter "ewigem" Eis vergletschert wäre, bis zu den jetzt bevorstehenden Milliarden Toten infolge Wüstenentstehung sowie Überschwemmungen infolge Gletscher- und Eisschmelze an den Polen etc.

Nur einige der Schlagzeilen daraus seien hier wiedergegeben: "MacMillan-Report zeigt eine neue Eiszeit an" (1924). "Amerika in der längsten Wärmeperiode seit 1776" (1933). "Wissenschafter rätseln über weltweite Klimaveränderung; weitreichende Abkühlung könnte bevorstehen" (1975). "Vergangene Wärmeepochen geben wenig Anlass zur Entspannung bezüglich der neuen Klimaerwärmung" (2005). Und so weiter.

Dazwischen finden sich zwei markante Eckpunkte. Einmal im Jahr 1938, als erstmals der britische Amateurmeteorologe G. S. Callendar öffentlich seine Meinung vertrat, dass die Menschheit für den Ausstoß an Kohlendioxid verantwortlich sei (was damals aber niemanden interessierte), sowie im Jahr 2001, als das "Time Magazine" zusammen fasste: "Wissenschafter zweifeln nicht mehr an der globalen Klimaerwärmung und fast niemand stellt das Faktum in Frage, dass Menschen wenigstens zu einem Teil dafür verantwortlich sind."

In der anhaltenden Klimadebatte ist dies der derzeit wohl einzige Konsens: Nämlich dass auch wir Menschen zu den Veränderungen auf unserem Planeten beitragen - doch wie groß dieser Anteil am Gesamten ist, kann seriöser Weise keiner beziffern. Also lassen sich auch die Folgen nicht abschätzen.

Ohne Feuer kein Rauch. Abseits vom "UFO-Journalismus" bedienen sich Medien glaubwürdiger Quellen und saugen sich Redakteure die Geschichten nicht aus den Fingern, sondern recherchieren (wenn auch mehr oder weniger gut und gründlich). Dass die Wissenschafter ihnen heute eher dabei entgegen kommen, ist ebenso ein Segen wie das Internet: Letztlich profitiert jeder davon. Eine nutzbringende Symbiose.

Mittelbeschaffung

Der wichtigste Benefit daraus für die Wissenschafter: Politisch/ökonomische Entscheidungsträger lesen kaum je Fachpublikationen wie "Science", "Nature" oder noch speziell differenziertere. Doch seit die Gelehrten ihre Elfenbeintürme verlassen mussten, weil immer mehr anwendungsorientierte Arbeiten von ihnen verlangt werden, müssen sie sich auch um deren Finanzierung kümmern.

Die "leise" Forschungsarbeit hat es schon längst sehr schwer, an die nötigen Mittel zu kommen. Da hilft oft genug nur der laute Aufschrei. Das heißt also, ein allgemein begreiflich aufbereitetes Thema zu einem womöglich allgemeinen Nutzen so öffentlich wie nur möglich zu machen.

Journalisten - insbesondere großer Medien - stehen unter einem recht ähnlichen Druck. Ihnen droht von allen Seiten Konkurrenz, sie sind nachgerade dazu angehalten, das Gebot der objektiven Berichterstattung großzügig auszulegen. Dass sie also bloß berichten, was ihnen (sympathische) Fachleute überzeugend erzählt haben, ist allenfalls die halbe Wahrheit. Denn sie entscheiden nicht nur über das Thema, sondern auch darüber, ob sie kontroversielle Standpunkte dazu veröffentlichen. Und sie werden umso weniger an solchen interessiert sein, je eher diese ihre Berichte relativieren können.

Meinungsfrage

Mit dieser Rückenstärkung gelang es dem vormaligen US-Vizepräsidenten und zum Umweltschützer gewandelten Al Gore, gewaltige Mittel für den "Klimaschutz" frei zu machen, während der Ex-Umweltschützer und Ökonom Björn Lomborg so gut wie ungehört vor dieser Verschwendung warnte, weil es andere Prioritäten gibt. - Mäßig interessant für alle an Katastrophenszenarien Interessierte. Und wie erst für Journalisten, für die das Klimathema seit 100 Jahren letztlich (siehe Fakten) letztlich eine persönliche Meinungsfrage ist.