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100-Jährige, fit wie 50er

Von WZ-Korrespondentin Anna van Ommen

Wissen

Gewebe aus dem eigenen Körper und Dauer-Implantate als Jungbrunnen. | Forschung kostet 55 Millionen Euro. | London. Was teure Falten-Cremes und Botox-Spritzen den Menschen vorgaukeln, könnte in nicht allzu ferner Zukunft wahr werden. Britische Wissenschafter wollen den Alterungsprozess ab 50 stoppen. An der Universität Leeds werden derzeit Lösungen entwickelt, die den Senioren "50 aktive Jahre ab 50" geben sollen.


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Der Bedarf dafür ist da. Schließlich wird erwartet, dass jeder Zweite der heute Neugeborenen in Großbritannien den 100. Geburtstag erleben werden. Dafür sind vor allem verbesserte Lebensumstände und -gewohnheiten verantwortlich. Allerdings machen bestimmte Körperteile zu früh schlapp. So wollen die Forscher in Leeds zunächst vor allem Hüftgelenke, Knie und Herzklappen aufrüsten.

Mit einer Investition von 50 Millionen Pfund (umgerechnet 54,8 Millionen Euro) sollen die britischen Experten Lösungen finden, Schritt für Schritt auch andere anfällige Körperteile fit fürs Alter zu machen.

Das Institute of Medical and Biological Engineering hat bereits ein Hüfttransplantat entwickelt, das ein Leben lang haltbar sein soll. Derzeit hat eine künstliche Hüfte eine maximale Haltbarkeit von 20 Jahren. Eine neue Kombination aus einer Kobalt-Chrom-Gelenkpfanne und einem Keramik-Gelenkkopf soll die 100 Millionen Schritte, die ein 50-Jähriger bis zu seinem 100. Geburtstag machen wird, leicht aushalten.

Geplant sind auch Gewebetransplantate und Organe, die der Körper selbst herstellen kann. Damit wäre ein Abstoßen der Transplantate vermeidbar.

Voll funktionierende Herzklappenventile

Den Forschern ist es mit dieser Technik bereits gelungen, voll funktionierende Herzklappenventile herzustellen. Dabei kommen gesunde Herzklappenventile von Menschen oder anderen geeigneten Spendern wie etwa Schweinen zum Einsatz. Die Zellen werden mit einer Lösung aus Enzymen und chemischen Reinigungsmitteln entfernt. Das bleibende Gerüst kann dann ohne Abstoßungsgefahr transplantiert werden. Der Körper besiedelt das Organ mit eigenen Zellen.

Das Prinzip wurde bereits an 40 Personen in Brasilien erfolgreich getestet. Vier Jahre nach der Operation funktionieren die Herzklappenventile der Patienten offenbar noch immer einwandfrei. Auch das britische Gesundheitssystem NHS hat bereits eine Lizenz für seinen Blut- und Gewebe-Transplantatdienst erworben, um das Verfahren künftig bei allen menschlichen Gewebespenden zu nutzen. Derzeit überprüft das NHS den Einsatz bei Spenderhaut für Patienten mit schweren Verbrennungen. Ziel ist es, künftig mit weniger Organspenden auszukommen.

Christina Doyle von Xeno Medical, die das Verfahren entwickeln, schränkt jedoch ein: "Es wird 30 bis 50 Jahre bis zur Einsetzbarkeit dauern. Jedes einzelne Produkt wird individuell gestaltet und getestet werden müssen." Forscherin Eileen Ingham von der Universität Leeds ist überzeugt, dass diese neuen Lösungen den Menschen in Zukunft helfen können. Allerdings nur, wenn "diese erstklassigen Ideen in handfeste Produkte verwandelt werden".

"Erste Lösungen schon in fünf Jahren"

Ihrer Ansicht nach sind die Briten "traditionell nicht in der Lage, Innovationen in wirtschaftliche Lösungen zu verwandeln. Aber wir verfügen über gute Forschung". Ihr Kollege John Fisher versichert, erste Lösungen könnten Menschen weltweit bereits in fünf Jahren zugute kommen.

Bei all den Hoffnungen für eine gesündere Zukunft bleibt allerdings eine Frage ungeklärt: Werden die 100-Jährigen auch geistig noch in der Verfassung sein, sich an ihren perfekt funktionierenden Körperteilen zu erfreuen?