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100 Milliarden Euro für Österreichs Banken

Von Stefan Melichar

Wirtschaft

Der Staat haftet für Kredite zwischen Geldinstituten. | Neue ÖIAG-Tochter soll sich an Banken beteiligen dürfen. | Wien. Österreichs Regierungsspitze lässt sich nicht lumpen: Vor dem Hintergrund der ausufernden Finanzkrise wollen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) den heimischen Banken im Bedarfsfall mit bis zu 100 Milliarden Euro unter die Arme greifen. Einerseits werden umfassende Haftungen für Zwischenbankkredite gewährt. Andererseits soll sich der Staat in Zukunft an schwächelnden Geldinstituten beteiligen. Das Paket steht heute, Dienstag, im Ministerrat zur Beschlussfassung an. Unbestätigten Meldungen zufolge könnte es noch diese Woche den Nationalrat passieren.


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Weg aus Vertrauenskrise

Herzstück des Maßnahmenbündels, dessen Eckpunkte Gusenbauer und Molterer in einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Montag dargelegt haben, ist die Einrichtung einer sogenannten Clearing-Stelle bei der Oesterreichischen Kontrollbank. Deren Aufgabe wird es sein, Kreditvergaben zwischen Geldinstituten abzuwickeln.

Durch die Finanzkrise trauen sich nämlich Banken gegenseitig nicht mehr über den Weg. Sie borgen sich untereinander kaum mehr Geld, wodurch Institute zunehmend Probleme haben, ihr Tagesgeschäft zu finanzieren. Im Extremfall kann dies innerhalb weniger Tage zum Zusammenbruch eines Instituts führen. Fehlt die Liquidität, werden darüber hinaus keine - oder nur mehr teure - Kredite vergeben, was der Wirtschaft und den Konsumenten schadet.

Die Clearing-Stelle soll die Vertrauenskrise zwischen den Banken beenden, indem der Staat für die abgewickelten Zwischenbankkredite garantiert. Darüber hinaus haftet der Bund für Anleihen, die die Clearing-Stelle begibt, um selbst Liquidität aufzubringen, sowie für Anleihe-Emissionen der Kreditinstitute.

Auch Versicherungen sollen sich an der Clearing-Stelle beteiligen können. Insgesamt stellt der Staat hier 85 Milliarden Euro zur Verfügung.

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Stärkung der Bilanzen

Neben diesem Versuch, den Banken Liquidität zu verschaffen, kann der Finanzminister im Bedarfsfall den Instituten aber auch Eigenkapital zuschießen, um ihre bilanzielle Situation zu verbessern. Falls nötig würde sich eine noch zu gründende Tochter der Staatsholding ÖIAG an Kapitalerhöhungen beteiligen.

Eine derartige Teilverstaatlichung könnte gegebenenfalls an Bedingungen geknüpft und mit Eingriffen in die Eigentümerstruktur verbunden sein. Insgesamt stehen 15 Milliarden Euro für derartige Maßnahmen zur Verfügung.

"Banken gut aufgestellt"

Bundeskanzler Gusenbauer beeilte sich festzustellen, dass das 100-Milliarden-Paket zum Großteil aus Haftungen bestehe. Solange diese nicht schlagend werden, gebe es auch keine Budgetbelastung.

Die Märkte würden sich derzeit nicht selbst regulieren. "Wir legen die schützende Hand des Staates über die Banken und sichern deren Wettbewerbsfähigkeit."

Auch Finanzminister Molterer betonte mehrfach, dass die heimischen Banken gut aufgestellt seien. Es gehe nur darum, die Funktionstüchtigkeit der Wirtschaft sicher zu stellen.

Neben den genannten Maßnahmen wird im Rahmen des Hilfspakets auch die hundertprozentige Sicherung von Spareinlagen in Gesetzesform gegossen. Darüber hinaus soll die Finanzmarktaufsicht ermächtigt werden, Aktien-Leerverkäufe (Short-Selling), bei denen auf fallende Kurse gewettet wird, an der Wiener Börse befristet zu untersagen.