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1000 Euro für die Würde

Von Walter Hämmerle

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Strafen ist wieder "in". Nach Bettlern, Schulschwänzern und Schwarzgeldbesitzern soll es demnächst die Abgeordneten selbst treffen.


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Noch hält zwar der Konsens, der die Prügelstrafe für ein aus der Mode gekommenes Erziehungsmittel erachtet (obwohl im Süden heftig daran gerüttelt wird), dafür geizt die wohlwollende Obrigkeit sonst nicht mit ihrer Neigung, uns mittels sanften Drucks in bessere Menschen zu verwandeln. Dass dabei mit Vorliebe mit Pönalen hantiert wird, passt wunderbar in den größeren Kontext unserer Zeit, der Geld bekanntlich über alles geht.

In diese Tradition reiht sich nun auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ein. Mit bis zu 1000 Euro sollen, geht es nach der protokollarisch zweiten Frau im Staat, all jene Abgeordneten bestraft werden, welche die Würde des Hohen Hauses am Ring durch unqualifizierte Aussagen oder Zwischenrufe beschädigen.

SPÖ und ÖVP sind - wer wäre davon überrascht? - tendenziell dafür, schließlich funktioniert das System in Deutschland ja auch. Und was dort praktiziert wird, kann nach herkömmlicher österreichischer Lesart nicht völlig falsch sein. Die Grünen sind wie so oft in allerjüngster Zeit ausnehmend gesprächsbereit über dieses Ansinnen der Koalitionsfraktionen; einzig und allein FPÖ und BZÖ stören dieses Stillleben politischer Harmonie:
Die gespaltenen und verfeindeten Freiheitlichen sind ausnahmsweise einmal einer Meinung - und damit also dagegen.

Prammer will mit ihrem Vorstoß das Ansehen des Parlaments und seiner Abgeordneten in der Öffentlichkeit heben. Schließlich blickt hier das Volk quasi auf sich selbst, weshalb es natürlich von Vorteil ist, wenn reale und imaginäre Volksversammlung wechselseitig eine gute, wenigstens aber keine abfällige Meinung voneinander haben.

Wer nun glaubt, gutes Benehmen, ganz zu schweigen von korrekten Umgangsformen, sollte sich eigentlich von selbst verstehen, verkennt, dass hinter der Idee des Parlamentarismus das Konzept der Repräsentativität versteckt, weshalb auch schlimmen Fingern der Weg zu Abgeordnetenweihen offen steht. Der Ruf nach Sanktionen bei abweichendem Verhalten versteht sich da fast schon von selbst.

Wir leben in einer Gebots- und Verbotsgesellschaft, deren elftes Gebot "Du sollst nicht dürfen" lautet, wie die "Süddeutsche Zeitung" kürzlich mit Blick auf den Sanktionierungswahn schrieb. So gesehen gibt es tatsächlich keinen guten Grund, warum nicht auch die Damen und Herren Parlamentarier Opfer selbst ihrer eigenen Sanktionierungswut werden sollten.

Das stenographische Protokoll, welches sicherstellt, dass keine Äußerung im ehrwürdigen Plenum unbemerkt bleibt, eignet sich in diesem Zusammenhang übrigens zur perfekten Adaptierung des Foucault’schen Konzepts von "Überwachen und Strafen". So ist sichergestellt, dass nichts der Sanktionierung der strafenden Autorität entgehen kann.

Allerdings darf sehr wohl bezweifelt werden, ob beleidigende Zwischenrufe, und nur um solche geht es hier, das vordringlichste Problem des heimischen Parlamentarismus darstellen, der in einem Haus logiert, das - laut amtlichen Bescheiden - schwerst baufällig ist.