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"10.000 Nato-Soldaten können nicht das ganze Land sichern"

Von Michael Schmölzer aus Afghanistan

Politik

Afghanischer General Bashir im Gespräch.


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General Bashir leitet die täglichen Planungen, die Vertreter der Bundeswehr halten sich im Hintergrund.
© Schmölzer

Lagebesprechung der afghanischen Armee mit den deutschen Verbündeten in Kunduz: An einem Ende des langen Konferenztisches hängt eine große Landkarte, auf der anderen Seite sitzt der afghanische General Mohammad Bashir. Er verfolgt die Berichte seiner Offiziere, weist diese zurecht, weil die Informationen unvollständig sind. Die "Wiener Zeitung" hat mit dem Offizier über die militärische Situation im Land gesprochen.

"Wiener Zeitung":Die afghanische Armee trägt bei der Bekämpfung der Aufständischen die Hauptlast, die Nato-Soldaten sind, wie es scheint, nur noch Zaungäste. Was sind denn die größten Herausforderungen in diesem Kampf?Mohammad Bashir:Alles läuft gut, wir sind gut ausgerüstet und wir haben keine Probleme. Basierend auf den Reports der verschiedenen Geheimdienst-Einheiten planen wir militärische Operationen und führen sie dann durch. Wir versuchen, die Aufständischen zu lokalisieren, stellen ihre Zahl fest, prüfen, welche Region für Aktivitäten der Aufständischen anfällig ist, dann führen wir Operationen im großen und im kleinen Maßstab durch.

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Im Norden sind die Aufständischen schwach vertreten .
© Schmölzer

Wie hoch sind die Verluste der afghanischen Streitkräfte bei diesen Operationen?

Ich habe nicht die exakte Information, wie viele Aufständische in den letzten Monaten getötet wurden und wie viele auf der Seite afghanischen Armee. Die einzelnen Aufklärungs-Einheiten haben die exakten Zahlen. Vor einigen Wochen gab es einen Selbstmordanschlag in Kunduz, zwei hohe Verantwortliche wurden getötet: der Chef der Anti-Terrorabteilung und der der Verkehrsabteilung. Auch haben wir in den letzten Tagen einige Soldaten verloren. Aber wir wissen trotzdem, dass die Verluste auf der Seite der Aufständischen viel größer sind. Es handelt sich allerdings um niederrangige Aufständische, nicht um die Anführer.

Die Bundeswehr zieht nach und nach ihre Kräfte aus der Provinz Kunduz ab. In einigen Monaten wird es hier vielleicht keine Deutschen mehr geben. Was wird sich dann Ihrer Ansicht nach für die afghanische Armee ändern?

Zunächst einmal: Wir sind der Internationalen Gemeinschaft dankbar, dass sie nach Afghanistan gekommen ist, und vor allem sind wir dankbar für die Hilfe der Deutschen, die für die nördliche Provinzen Mazar-e-Sharif und Kunduz zuständig sind. Wenn sie die Region verlassen werden, wird diese nicht mit Sicherheitsproblemen konfrontiert sein. Die afghanischen Streitkräfte sind gut aufgestellt, es herrscht kein Mangel. Wir haben uns selbst zu verteidigen und wir verteidigen unser Land; und wir können das alles alleine ohne die Hilfe der Internationalen Gemeinschaft. Ein kleines Problem gibt es mit der Ausrüstung. Zu der Zeit, als Nadschibullah Präsident war (autokratischer Staatschef Afghanistans 1986 bis 1992, Anm.), waren die Truppen gut ausgerüstet. Wenn wir die Situation heute mit damals vergleichen, dann sind die afghanischen Truppen heute nicht in dieser Lage. Das ist meine persönliche Meinung.

Aber wenn wir uns die Jahre nach dem Abzug 2014 ansehen: In welchem Ausmaß ist die afghanische Armee bereit, weiterhin mit der Isaf und mit den deutschen Kräften zu kooperieren?

Meine persönliche Überzeugung ist: Die Internationale Gemeinschaft wird uns nie verlassen, sie wird für immer hier sein. Mit der Präsenz der Internationalen Gemeinschaft werden wir Fortschritte machen. Wir können uns auch ohne internationale Hilfe steigern, aber mit der Präsenz der Internationalen Gemeinschaft wäre dieser Prozess um einiges effizienter.

Die USA und ihre Nato-Verbündeten planen, dass 10.000 bis 12.000 internationale Soldaten über das Jahr 2014 hinaus in Afghanistan bleiben sollen. Ist das genug, um das ganze Land stabil zu halten?

Meine persönliche Überzeugung ist, dass das nicht reichen wird; es fällt aber nicht in meine Zuständigkeit. Die Regierung, in erster Linie Präsident Karzai, muss über diese Sache entscheiden. Aber ich sage: 10.000 bis 12.000 Mann sind nicht genug für dieses Land.

Apropos Präsident Hamid Karzai: Vor nicht allzu langer Zeit hat er den Westen erneut dafür kritisiert, dass er nicht genug Respekt gegenüber den Afghanen an den Tag lege. Karzai hat auch die Nato-Streitkräfte angegriffen, weil es häufig massive zivile Verluste auf afghanischer Seite gebe. Was sind Ihrer Ansicht nach die Hauptfehler, die die Nato in den letzten zehn Jahren in Afghanistan begangen hat?

Wir haben in den letzten zehn Jahren keine großen Fehler bemerkt, die die Nato begangen hätte. Und ich arbeite seit 13 Jahren in der Armee. Als die Internationale Gemeinschaft gekommen ist, hat sie für einen positiven Wandel gesorgt. Wäre ich Präsident, würde ich die Internationale Gemeinschaft bitten, lange Zeit in Afghanistan zu bleiben.