Die SPÖ hat gestern ihre Vorstellungen über die Entwicklung eines Ganztagsschulmodells vorgelegt. Demnach sollen in den kommenden zehn Jahren zu den derzeit bestehenden 70.000 Plätzen im Pflichtschulbereich zusätzlich 100.000 neue Plätze geschaffen werden. Der Schwerpunkt liegt im Volksschulbereich. Hier soll in zehn Jahren die Hälfte aller Schulen ganztägig geführt werden. Im Bildungsministerium steht man den Vorschlägen der SPÖ allerdings ablehnend gegenüber.
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Neben pädagogischen Chancen für die SchülerInnen - weniger Schulstress oder mehr individuellen Förderungsmöglichkeiten - erwartet sich SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer mit der Maßnahme auch eine höhere Beschäftigungsquote unter den Frauen. Die Ganztagsschule stelle ein wesentliches Element für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie dar.
"Niemand braucht davor Angst haben, dass die derzeitige Stundenanzahl von fünf bis acht Stunden verdoppelt wird", betonte SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser. Hingegen soll der Unterricht am Vor- und Nachmittag in Abwechslung mit Sport, Musik und gemeinsamen Essen durchgeführt werden. So besteht auch etwa für Vereine die Möglichkeit, ihre Angebote zu integrieren. Ein Unterrichtstag beinhaltet neben offenen Lehr- und Lernformen sowie Projekten auch Förderkurse, Lernbetreuung und Begabtenförderung.
Die Ganztagsschule bedeutet eine Fünf-Tage-Woche mit verpflichtender Anwesenheitszeit von 8.30 bis 16.30 Uhr. Änderungen nach regionalen Gegebenheiten sind möglich. Im Unterschied zur reinen, bisher üblichen Nachmittagsbetreuung ist es den SchülerInnen demnach nicht freigestellt, ob sie schon zu Mittag nach Hause gehen oder nicht. Davor und danach soll es auch ein freiwilliges Früh- bzw. Nachmittagsprogramm geben, wofür allerdings sozial gestaffelte Beiträge eingehoben werden sollen - ebenso für das Mittagessen.
In der Anfangsphase entstünden Mehrkosten. Ein ganztägiger Platz kostet jährlich rund 3.000 Euro. Mit Essensbeiträgen und höheren Sozialversicherungs- und Steuerbeiträgen aufgrund steigender Frauenerwerbstätigkeit komme es aber bald zum Nullsummenspiel. "Die Welt kann man nicht in einem halben Tag erklären", so die Leiterin des Projekts "Ganztägige Schulformen", die SPÖ-Abg. Beate Schasching.
Bei dem Modell fehlt es an Flexibilität, kritisiert das Bildungsministerium, denn wochentags könnten Freizeitaktivitäten fern der Schule nicht wahrgenommen werden. Auch die in die Projektgruppe eingegliederte SPÖ-nahe Aktion kritischer SchülerInnen sieht einen Nachteil darin, dass man Freunde nur mehr erschwert treffen könne.
http://www.ganztagsschule.at