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11,5 Sekunden Spezialausbildung

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Die parlamentarische Bundesheerkommission schlägt Alarm: | "Das Geld fehlt überall" - und bedroht die Reform des Grundwehrdienstes.


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Wien. Eigentlich sollte sie sich ja mit den Beschwerden von Bundesheerangehörigen befassen. Diesmal ist es aber die Parlamentarische Bundesheerkommission selbst, die sich am lautesten beschwert. Die Österreichische Armee steht demnach kurz vor dem finanziellen Kollaps.

Eigentlich hätte Kommissionsvorsitzender Walter Seledec (FPÖ) ja gute Nachrichten zu überbringen gehabt, denn die Zahl der Beschwerden, die an das Gremium 2013 herangetragen wurden, ging zurück. 384 Beschwerden hatte die Kommission zu überprüfen, 2012 waren es noch zehn mehr, 2011 sogar noch 504. Vor allem der Umgangston ist in den vergangenen Jahren merklich besser geworden. Klar, es gibt sie immer noch, die Unteroffiziere, die ihre Soldaten als "zum Scheißen z’deppat" bezeichnen und finden, "du fahrst wie a Tschusch". Aber insgesamt attestiert Kommissionsmitglied Paul Kiss (ÖVP) eine "entscheidende Verbesserung" im Umgang. Menschenverachtende Vorfälle wie etwa 2004, als in der Kaserne Freistadt gegen Offiziere Foltervorwürfe erhoben wurden, gebe es "definitiv nicht mehr".

"Sie wären fassungslos"

Was der Kommission viel mehr Sorgen bereitet, sind jene Beschwerden, die sich auf Versorgung, Infrastruktur und Ausbildung beziehen. Die Ursache vieler beanstandeter Missstände sieht Seledec im fehlenden Geld, und "das fehlt überall". "Wir haben Sanitäranlagen gesehen, das würden Sie nicht für möglich halten", so der Kommissionsvorsitzende. "Sie wären fassungslos, was in den maroden Kasernen für Zustände herrschen", sagt Kiss. "Sanitätsstationen sehen aus wie Feldspitäler aus dem Jahr 1914." Auch müssten sich bis zu 14 Soldaten einen Schlafraum teilen.

Auch die Ausrüstung leide unter dem Geldmangel. Das Heer sei mit 30 Jahre alten Fahrzeugen unterwegs, die Garde müsse pro Jahr um 500.000 Euro Busse mieten, weil keine eigenen zur Verfügung stünden, so Seledec.

Leidtragend seien auch die Rekruten, die über schlechte Verpflegung und 70-Stunden Wochen klagen und mit gerade einmal 300 Euro pro Monat abgespeist würden - "das sind Lohnsklaven", sagt Kiss.

Durch den Geldmangel sieht die Kommission auch die Reform des Grundwehrdienstes bedroht. Die dafür zur Verfügung stehenden 30 Millionen Euro seien "lächerlich", sagt Seledec, der auch gleich die Folgen der Unterdotierung präsentiert: Geplante Trainingseinheiten mit Spitzensportlern fänden nicht statt, weil diese keine Zeit hätten; Fremdsprachmodule müssten mangels externer Lehrer von Rekruten selbst geleitet werden; vom versprochenen WLAN in den Kasernen sei keine Spur; und für die vertiefende Schießausbildung am Maschinengewehr stünden pro Grundwehrdiener gerade einmal 48 Schuss Munition zur Verfügung.

Das beim Bundesheer verwendete MG 74 schießt theoretisch mit 850 Schuss pro Minute. Die 48 Kugeln pro Mann sind damit in 3,4 Sekunden verballert. Weil in der Praxis die Feuergeschwindigkeit aber nur bei 250 Schuss pro Minute liegt, dauert die vertiefende Schießausbildung dann immerhin 11,5 Sekunden.

"Schuld ist der Eurofighter"

Angesichts dieser prekären Finanzsituation befürchtet Anton Gaál (SPÖ), "dass das Bundesheer die nächsten Jahre nicht überleben wird". Schuld an den Engpässen ist aus seiner Sicht einerseits die Unterdotierung des Heeres - Ziel müsse 1 Prozent des BIP sein, aktuell sind es 0,62 Prozent -, andererseits der Kauf der Eurofighter. Die "Luxusjets" seien "die teuerste Fehlentscheidung", die je getroffen worden sei.

Ob dieser Situation des Heeres vermisst Seledec einen "Aufschrei der Öffentlichkeit". Stattdessen rege sich niemand auf - auch die Politik nicht.

Budget sinkt weiter

Im Verteidigungsministerium ist man sich des Ernstes der finanziellen Lage aber durchaus bewusst, schließlich muss man alleine heuer bei den Ermessensausgaben rund 45 Millionen einsparen, nächstes Jahr sind es weitere 38 Millionen. War im Finanzrahmen für 2015 noch ein Budget von 2,021 Milliarden Euro vorgesehen, soll es laut APA nun nur noch 1,981 Milliarden betragen (davon 1,843 Milliarden fürs Bundesheer, 138 Millionen für den Sport).

Die 38 Millionen Einsparungen bei den Ermessensausgaben sollen laut APA in verschiedenen Bereichen erreicht werden: Im Personalbereich sollen zehn Millionen durch eine Reduktion von Überstunden in der Verwaltung und "umsichtige Personalplanung" eingespart werden. Das Bauprogramm soll ebenfalls um zehn Millionen Euro reduziert werden, alle Bauvorhaben werden auf Zweckmäßigkeit und Dringlichkeit überprüft. Die Priorität der Bauvorhaben liege auf Verbesserungen im Sinne der Wehrdienstreform, hieß es. 16 Millionen Euro Einsparungen sind beim Betrieb und der zentralen Beschaffung geplant.

Schon Ende Februar hatte Minister Gerald Klug daher erklärt, man sei "am Boden des Fasses angekommen". Durch den Kommissionsbericht sieht sich Klug insofern bestätigt, als dieser unterstreiche, "dass die ersten Maßnahmen zur Wehrdienstreform greifen" und "erste positive Ergebnisse sichtbar" mache.