Zum Hauptinhalt springen

13 Jahre für ein neues Medikament

Von Gerald Hirn

Gastkommentare
Gerald Hirn ist General Manager von Incyte Biosciences Austria.
© DI Johann Szebeni

Auf viele innovative Arzneimittel sind die nationalen Gesundheitssysteme nicht ausreichend vorbereitet.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Global setzen Pharmaunternehmen rund 20 Prozent des Umsatzes, erzielt mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, wieder für Forschung und Entwicklung ein. Vom Auffinden und Erforschen eines neuen Wirkstoffs bis zur Zulassung als Medikament vergeht viel Zeit: Durchschnittlich dauert die Entwicklung eines Arzneimittels etwa 13 Jahre, und der dafür notwendige finanzielle Aufwand von bis zu 2,6 Milliarden US-Dollar ist ebenfalls enorm. Nicht miteingerechnet sind die Kosten für jene therapeutischen Ansätze, die es nicht bis zur endgültigen Marktreife schaffen.

Um auch die Entwicklung von Medikamenten für vergleichsweise kleine Gruppen von Betroffenen finanzieren zu können, benötigt ein Pharmaunternehmen ein vielfältiges Produktportfolio. Ein gutes Beispiel dafür ist die Autoimmunerkrankung Vitiligo, von der weltweit zwischen 0,5 und 2 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. In Österreich sind es geschätzte 100.000 Menschen. Ohne entsprechendes Engagement von Pharmaunternehmen wäre es schwierig, die Bedürfnisse dieser Patientengruppe hinsichtlich innovativen Therapieoptionen zu erfüllen. Im Vergleich zu weitverbreiteten Erkrankungen wie Diabetes (rund 900.000 Betroffene alleine in Österreich) betrifft die Weißfleckenkrankheit weit weniger Menschen, nichtsdestotrotz muss aber immer das Wohlergehen des individuellen Patienten im Fokus stehen.

Arzneimittel sind - von der Entwicklung bis hin zur Anwendung - strengstens reguliert. Derzeit befinden sich etwa 140 hochinnovative Arzneimittel in der Zulassungspipeline der Europäischen Zulassungsbehörde EMA, die eine Herausforderung für die nationalen Erstattungssysteme darstellen werden. Der Grund: Sie wurden entweder für seltene Erkrankungen entwickelt oder gehören in den Bereich der Präzisionsmedizin - darauf sind die nationalen Gesundheitssysteme jedoch noch nicht ausreichend vorbereitet.

Was Versorgungsengpässe betrifft: Hier spielen die oft zitierten Lieferkettenprobleme eine gewichtige Rolle. Aber auch die Preisgestaltung im Land kann großen Einfluss auf die Situation haben. Denn Arzneimittel werden weltweit gehandelt - Länder mit entsprechenden Preisniveaus für Medikamente haben beim Bezug die Nase vorne. Wird nun ein neu auf den Markt gebrachtes Medikament nur unter seinem Wert vom System erstattet, darf man sich nicht wundern, dass die Motivation der Pharmaunternehmen für vertiefende Forschung begrenzt ist. Und: Preis und Einsatz für ein neu entwickeltes Medikament für spezielle Krankheiten können nicht mit dem Aufwand und Einsatz von Standardmedikamenten verglichen werden.

Um Versorgungssicherheit und Finanzierbarkeit für alle sicherzustellen und auch seltene Krankheiten auf dem letzten Stand der Wissenschaft behandeln zu können, müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen und der Standort Europa gestärkt werden. Essenziell dafür ist ein fairer Dialog zwischen der forschenden Industrie und den Vertretern der für die Erstattung zuständigen Stellen.