Ortschaften aus Niederösterreich drohen sehr große finanzielle Einbußen.
| Der Anwalt der Kommunen hält die Verträge mit der Bank für ungültig.
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Wien. In einigen niederösterreichischen Gemeinden ist die ländliche Idylle schwer getrübt. Denn ihnen drohen hohe Verluste durch Devisenoptionsgeschäfte, die ihnen von der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien aufgeschwatzt worden sein sollen. 14 betroffene Kommunen wehren sich, darunter Hollabrunn, Maissau und Payerbach. Sie haben den Kapitalmarkt-Anwalt Lukas Aigner von der Kanzlei Kraft & Winternitz beauftragt, von der Bank eine Schadenloshaltung einzufordern.
"Wir fühlen uns über den Tisch gezogen, denn wir haben bereits bei Abschluss des Vertrages vom Risiko her verloren", sagt der Payerbacher Neo-Gemeinderat Markus Halm, der durch einen Risikocheck die Nachteile der "Zinswette" ans Tageslicht förderte. "Der mögliche Verlust ist bei diesem Produkt nicht limitiert." Im Worst Case könnten seinem Ort rund zwei Millionen Euro Schaden - bis zum Ende der Laufzeit der "Wette" im Jahr 2013 - ins Haus stehen. "Wir haben die Zahlungen gestoppt", sagt Halm, der im Zivilberuf kaufmännischer Leiter eines Industriekonzerns ist. In einzelnen Gemeinden könnten die drohenden Zahlungen sogar bis zu einem Viertel des Jahresbudgets verschlingen, weiß Anwalt Aigner.
Laut Aktenlage hat die RLB NÖ-Wien etwa ab 2005/06 zumindest 77 Gemeinden komplexe Finanztermingeschäfte, sogenannte "Resettable CHF linked Swaps", angetragen, um angeblich "die Zinsbelastung weiter zu reduzieren". Diese Devisenoptionsgeschäfte wurden "als eigenständiges, nicht an bestehende Finanzierungen gebundenes Geschäft" angepriesen. Zur schnelleren "Vertrauens- bildung" sollen die Kommunalexperten der RLB zu den Beratungen den örtlichen Raiffeisenkassenleiter beigezogen haben.
Gefährliche Wetten mit Schweizer Franken
Eine Zinsvergünstigung wird bei dieser Wette nur erreicht, wenn der Euro-Schweizer Franken-Kurs nicht unter den im Vertrag festgelegten Bezugspreis ("Strike") fällt. Fällt der Wert aber zum Zinsfälligkeitstag darunter, muss die Gemeinde zahlen. Mehr noch. In einer gutachterlichen Stellungnahme, die der "Wiener Zeitung" vorliegt, heißt es, dass "ein eventueller Kursverlust nicht nur einmal" zu bezahlen ist, sondern jährlich, so lange der EUR/CHF-Kurs unter dem Strike liegt.
Anwalt Aigner wirft der RLB NÖ-Wien vor, dass sie den Gemeinden ein für sie völlig ungeeignetes und undurchschaubares Finanzprodukt verkauft und das Risiko "fehlerhaft bzw. unvollständig dargestellt" hat. Dieser Zins-Swap sei von einer Investmentbank (Goldman Sachs) entwickelt worden sein, was die Gemeinden anscheinend nicht wussten. Die Bank reiche "als Gehilfe und Vermittler" österreichische Steuergelder an diese gewieften Spekulanten durch, behauptet der Anwalt. Zugleich soll sie dabei "hohe Margen kassieren".
Außerdem habe die RLB NÖ-Wien den Kommunen für die "Wette" einen Kreditrahmen eröffnet. "Weder unsere Mandantschaft noch der Gemeindeaufsichtsbehörde wurde je mitgeteilt, dass für dieses Produkt ein Kreditrahmen eingeräumt wird", wettert Aigner. "Diese Treasury-Geschäfte der Gemeinden mit der Bank sind zu keinem Zeitpunkt rechtsgültig zustande gekommen, weil sie nicht von der Aufsichtsbehörde genehmigt wurden." Somit seien die Geschäfte nichtig. Detail am Rande: Mit diesem Argument geht auch die Stadt Linz gegen die Bawag rechtlich vor. Linz hat 135 Millionen Euro in mittlerweile verlustreiche Franken-Zinsswaps gesteckt.
Hoffnung auf eineLösung ohne Schaden
"Wir sind in Gesprächen mit der Bank und gehen davon aus, dass wir die Misere ohne Schaden für die Gemeinde lösen", sagt Eduard Rettenbacher, Bürgermeister von Payerbach, der diese Malaise von seinem Vorgänger geerbt hat. Sollten die Gespräche nicht fruchten, fügt Gemeinderat Halm hinzu, werde man den Rechtsweg beschreiten.
Die "Wiener Zeitung" konfrontierte die RLB NÖ-Wien mit den detaillierten Vorwürfen in schriftlicher Form. Darauf ging die Bank aber mit keinem Wort ein. RLB-Sprecher Peter Wesely: "Wir sind im direkten Gespräch mit den betroffenen Gemeinden und sind zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden werden."