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Großbritanniens Schuldenstand steigt infolge des EU-Austritts bis 2020 rasant.
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London. Mit Sorge blicken viele Briten in die Zukunft, nachdem ihnen Schatzkanzler (Finanzminister) Philip Hammond am Mittwoch Wachstumseinbrüche, steigende Inflation und gewaltige Schuldenlöcher prophezeit hat. Allein die Staatsschulden sollen bis zum Jahr 2020 wegen des EU-Austritts dramatisch zunehmen: Der Brexit kostet das Vereinigte Königreich laut Hammond in dieser Übergangszeit 122 Milliarden Pfund (142 Milliarden Euro) mehr. Die Staatsschulden würden dann 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen.
Pfund hat zehn Prozent gegenüber dem Euro verloren
Während die britische Wirtschaft bisher allen pessimistischen Voraussagen trotzte und das Wirtschaftswachstum die Erwartungen für 2016 sogar leicht zu übertreffen scheint, kündigen sich zum neuen Jahr schwierigere Zeiten an. Die britische Regierung rechnet nun für 2017 nur noch mit 1,4 Prozent statt mit 2,2 Prozent Wachstum: Was unmittelbare Folgen für die Staatsfinanzen haben wird und sehr viel mehr Geldaufnahme erforderlich macht.
Einen ausgeglichenen Haushalt, wie ihn die Konservativen bei den Unterhauswahlen im Vorjahr noch für 2020 ankündigten, könne die Regierung nun nicht mehr versprechen, räumte der Schatzkanzler ein. Zugleich hat sich die Handelsbilanz wesentlich verschlechtert. Das Pfund ist seit dem Brexit-Beschluss um 16 Prozent gegenüber dem Dollar und um 10 Prozent gegenüber dem Euro gesunken - das verteuert einen Großteil der Importe.
Die Inflation auf der Insel wird darum dem Statistischen Amt zufolge nächstes Jahr auf drei Prozent klettern, während kaum Lohn- und Gehaltserhöhungen erwartet werden. Das bedeutet, dass Lebenshaltungskosten und private Verschuldung stark ansteigen werden. Den letzten Umfragen zufolge zeigen sich acht von zehn Briten "besorgt" über die kommende Preisentwicklung. Für das kommende Jahr freilich wird auch von vielen britischen Unternehmern der Abschwung - wiewohl keine Rezession - erwartet.
Immerhin, erklärte Minister Hammond, liege Großbritannien auch bei einem leichten Wirtschaftsabschwung noch vor den meisten EU-Staaten. Er räumte aber ein, dass es "nun unsere Aufgabe ist, unsere Wirtschaft echt widerstandsfähig zu gestalten, während wir die EU verlassen" - damit sie "fit für die darauf folgende Übergangsphase" sei. Unter anderem gab der Minister bekannt, dass London einen 23-Milliarden-Pfund-Topf für Innovation und Investitionen bereitstellen wolle. Vor allem in Bahn-, Wohnungsbau- und Telekom-Projekte soll investiert werden.
Plus 30 Pence Stundenlohn,minus 2000 Pfund Sozialhilfe
Weitgehend enttäuscht wurden von Hammond die Hoffnungen bedürftiger und einkommensschwacher Mitbürger auf finanzielle Erleichterung. Premierministerin Theresa May hatte bei ihrem Amtsantritt im Sommer gelobt, sie wolle all den Briten helfen, die es "gerade mal schaffen". Sie signalisierte so eine Abkehr von der bisherigen konservativen Austeritätspolitik. Zwar wird der Mindestlohn um 30 Pence auf 7,50 Pfund (8,75 Euro) pro Stunde erhöht. Wegen schon beschlossener oder sogar bereits umgesetzter scharfer Kürzungen im Wohlfahrtssystem verlieren die meisten der Betroffenen aber noch immer ein Vielfaches dieser Summen. Die am heftigsten angefochtenen Kürzungen, die noch Hammonds Vorgänger George Osborne durchgesetzt hatte, mochte Hammond nicht rückgängig machen.
Nach Berechnungen des unabhängigen Verbandes Resolution Foundation verlieren so britische Werktätige mit geringem Einkommen noch immer mehr als 2000 Pfund im Jahr an Steuervergünstigungen und Wohlfahrtshilfe. Die Forschungsanstalt IPPR sieht, zumal beim erwarteten Anstieg der Lebenshaltungskosten, wenig Erfreuliches am Horizont für diese Bevölkerungsgruppe: "Arme Familien und solche, die es gerade mal schaffen, trifft das alles insgesamt immer noch hart."