Unsere Erde wächst nicht. Dafür die Weltbevölkerung. Schon jetzt ist die Summe aller (ökologischen) Fußabdrücke jedoch größer als die Biokapazität unseres Planeten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Nimm nur Erinnerungen, lass nichts als Fußspuren", sprach Indianerhäuptling Chief Seattle am Ende des 19. Jahrhunderts angeblich zu den weißen Siedlern. Die Ökobewegung knapp hundert Jahre später griff diese Worte auf und machte sie zu ihrer Devise. Als dann allerdings Mathis Wackernagel und Willam E. Rees 1994 das Konzept vom ökologischen Fußabdruck entwickelten, kamen sie zu dem Schluss, dass unsere Fußabdrücke schlicht und einfach zu groß für die Erde sind. Laut ihrem international anerkannten Berechnungsmodell stehen für jeden Menschen 1,8 Hektar (ha) zur Verfügung, die einerseits dazu verwendet werden, alles das bereitzustellen, was man zum Leben braucht, also etwa Nahrung, Kleidung oder Energie, und die andererseits zur Verfügung stehen, um alles das wieder abzubauen, was man im Leben an Schadstoffen produziert, wie etwa Müll oder freigesetztes Kohlendioxid. Auch verbrauchen wir Flächen direkt, indem wir in Siedlungen leben und Straßen benutzen. Denken wir darüber hinaus an den biologischen Artenreichtum, sollten wir nochmals 20 Prozent der verfügbaren Flächen für die Wildnis reservieren, womit dem Einzelnen gerade einmal 1,4 ha blieben.
Wir brauchen zu viel - von allem. Logischerweise wird diese verfügbare Fläche pro Kopf immer weniger, je mehr die Weltbevölkerung wächst. Die UNO schätzt, dass die Anzahl der Erdenbürger von derzeit 6,9 Milliarden bis zum Jahr 2025 auf 8 und bis zum Jahr 2050 auf 9,2 Milliarden ansteigen wird. Wir verbrauchen jedoch schon seit Ende der 1980er Jahre zu viel an Ressourcen, mittlerweile werden im Schnitt pro Person umgerechnet rund 2,2 ha beansprucht, also um fast ein Viertel mehr, als nachhaltig wäre - noch ohne die Bedürfnisse der Wildnis zu berücksichtigen. Um es in ökonomischen Termini auszudrücken: Die Menschheit lebt nicht mehr von den Zinsen der Natur, sondern verbraucht bereits das Kapital der Erde. Die Folgen sind Übernutzung von Boden, Luft und Wasser, ebenso wie die Zerstörung von Pflanzen- und Tierwelt. Das Global Footprint Network ermittelt in diesem Zusammenhang den Welterschöpfungstag: Das ist jener Stichtag im Jahr, an dem die Menschheit all das verbraucht hat, was der Planet im ganzen Jahr bereitstellen kann. Er rückt im Kalender immer weiter nach vorne: 2009 fiel er auf den 25. September, 2010 schon auf den 21. August.
Das ist keine Panikmache von Umweltschützern, sondern anerkannte Realität. Mathis Wackernagel meinte dazu schon vor ein paar Jahren in einem Interview: "Wir müssen den Overshoot Ernst nehmen . . . Es nicht zu tun, ist eine der gefährlichsten Unterschlagungen. Ich bemerke das immer wieder in den Medien, wo man so tut, als begegneten uns die eigentlichen Probleme erst in der Zukunft. Das finde ich ziemlich erstaunlich." Wirft man nicht die gesamte Menschheit in einen rechnerischen Topf, sondern berücksichtigt die Biokapazität einer Region, kommt man für Europa zu folgendem Schluss: Europa kann rund 2,9 ha an verfügbaren Flächen pro Einwohner bereitstellen, mehr also, als global verfügbar sind. Allerdings leben wir alle auf vergleichsweise großem Fuß, wir Österreicher etwa verbrauchen mit 5,3 ha pro Kopf mehr als das Doppelte.
Eine Erde ist zu wenig. Sieht man es global, bräuchte man gleich drei Planeten von der Qualität der Erde, um alle Menschen auf unserem ökologischen Verschwendungsniveau leben zu lassen. Zur Erinnerung: Weltweit stehen im Schnitt nur 1,8 ha zur Verfügung . . . Dankenswerterweise leben gerade die bevölkerungsreichsten Nationen unter diesem Anspruch, jeder Chinese kommt mit 2,2 ha aus, jeder Inder gar mit nur 0,9 ha - daher sind wir weltweit gesehen "erst" bei 1,5 Erden, die wir jährlich verbrauchen. Aber auch das wird sich eher zum Schlechteren wandeln, mit steigender Lebensqualität wird auch dort der Ressourcenverbrauch steigen. Zum Vergleich: Jeder Amerikaner belastet die Welt mit einem 7,9 ha großen Fußabdruck - die Gründe sind unter anderem schlecht isolierte Häuser, die ein Maximum an Heizung respektive Kühlung verlangen, auseinandergezogene Siedlungen, die viele Straßen und Autowege erfordern, sowie der hohe Fleischkonsum, da die Produktion von Fleisch wesentlich mehr Ressourcen verbraucht als jene von pflanzlichen Nahrungsmitteln.
Gefragt sind Taten aus Politik und Wirtschaft, wo die Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. So kann man den verdichteten Wohnbau fördern, der weniger energieintensiv zu nutzen ist und kürzere Wege erfordert als weit gestreute Eigenheimsiedlungen im Grünen. Man kann erneuerbare Energien fördern und den amtlichen Papierverbrauch minimieren. Man kann Müll recyceln und kleine Autos bauen, die wenig Sprit brauchen.
Jeder ist verantwortlich. Das nimmt uns Einzelne aber nicht aus der Pflicht. Das hochwissenschaftliche Footprint-Modell, hinter dem riesige Datenmengen und komplizierte Algorithmen stecken, ist auch für den Konsumenten einleuchtend und nachvollziehbar - etwa bei diversen Footprint-Rechnern im Netz wie z. B. www.footprint.at. Konkret dreht sich alles um die vier Bereiche Ernährung, Wohnen, Mobilität sowie Konsum & Dienstleistung.
Ein Fünftel unseres Flächenbedarfs verursachen wir beim Wohnen, vor allem für Heizung und Elektrizität. Grundsätzlich ist in ökologischer Hinsicht eine Wohnung in einem Mehrparteienhaus einem Einfamilienhaus vorzuziehen, wo der Heizbedarf höher ist und meist auch die Wegstrecken länger sind. Aber auch als Hausbesitzer kann man seinen Fußabdruck reduzieren, indem man - auch à la longue gesehen zur eigenen finanziellen Entlastung - in gute Isolierung und eine effiziente Heizanlage investiert. Moderne Brennwert-Heizkessel sind sparsamer als ältere Modelle, Niedertemperatur-Systeme wie Fußboden- oder Wandheizung günstiger als Radiatoren. Entscheidend ist freilich auch die Art des Brennstoffes. Holz hat als nachwachsender Rohstoff einen sehr geringen Netto-CO2-Ausstoß, beansprucht aber Anbauflächen. Verwendet man fossile Energieträger wie Heizöl oder Erdgas, wird nicht die Fläche der Ölfelder mit eingerechnet, sondern jene, die nötig wäre, die entstandenen Verbrennungsemissionen von Kohlendioxid zu absorbieren (selbiges gilt natürlich auch fürs Benzin, siehe Mobilität).
Leider hat nicht jedermann Zugriff auf Erdwärme oder kann sein Heim in ein Niedrigenergiehaus ummodeln - aber alleine durch die Installation einer Solaranlage lassen sich bis zu 30 Prozent des Jahresenergiebedarfs abdecken. Auch der Strom kommt nicht einfach bloß aus der Steckdose. Um seinen persönlichen Fußabdruck zu reduzieren, muss man auch nicht eine eigene, teure Photovoltaik-Anlage installieren, aber man könnte den Umstieg zu einem Ökostromanbieter, der nur Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Sonne, Klein-Wasserkraft und Biomasse erzeugt, andenken. Zudem lohnt es sich, auch dem eigenen Kontostand zuliebe, nur energieeffiziente Geräte zu verwenden und generell stromsparend zu leben, Stichwort: keine Geräte auf Standby.
Weniger Fleisch. Ein ganzes Drittel unseres ökologischen Fußabdrucks hinterlässt unsere Ernährung. 70 bis 80 Prozent davon entstehen durch den Konsum tierischer Produkte, neben Fleisch auch Milchprodukte und Eier. Warum dieses, stellt sich dem Laien die Frage. Nun, für die Produktion einer Kalorie eines tierischen Produkts werden etwa fünf bis zehn Kalorien auf pflanzlicher Basis verbraucht. Außerdem wird die Fleischproduktion in Österreich nur durch den Import von rund 600.000 Tonnen an Futtermitteln möglich, die erst einmal transportiert werden müssen. Eine Reduktion des Fleischkonsums auf zwei Mal pro Woche wird im Übrigen auch von Ernährungsberatern empfohlen. Diese raten allerdings auch dazu, mehr Fisch zu essen, doch hier ist Umsicht gefragt. Die meisten Meeresfische stehen bereits am Rand der Ausrottung und industrielle Fischzuchten verursachen meist einen hohen Umweltverbrauch. Heimische Fischarten aus möglichst naturnahen Gewässern sind hier die Lösung.
Zwei weit verbreitete Sünden in punkto Ernährung sind der Unsinn, aus Übersee eingeflogene Produkte zu kaufen, nur weil man nicht darauf warten kann, bis sie bei uns in Saison sind, und die Unart, Lebensmittel wegzuwerfen. In Wien wird täglich jene Menge an Brot und Gebäck entsorgt, die in Graz an einem Tag verbraucht wird.
Verkehr reduzieren. Bei der Mobilität, die für 20 Prozent unseres Fußabdrucks verantwortlich ist, heißt das große Thema: fossile Brennstoffe für Autofahrten und Flugzeugreisen. Die ganze Problematik resümiert im Schlagwort unserer Zeit: Klimawandel durch Treibhausgase. Der Verkehr ist für ein Drittel der Emissionen verantwortlich und ist der am stärksten ansteigende Sektor. Selbst wenn wir als Einzelne im Urlaub daheim bleiben, unsere Autofahrten auf das Notwendigste beschränken und beim Kauf zu Superspritspar-Autos oder gar Autos mit alternativen Antrieben wie Hybridtechnologie greifen, sind in erster Linie die Politiker, die Stadt- und Raumplaner am Zug. Um nur vom Auto zu sprechen: Ein darauf fixiertes Mobilitätsverhalten, wie es derzeit in den Industrieländern die Norm ist, ist unmöglich auf die ganze Welt umzulegen. Alleine in Österreich kommen 540 Autos auf 1000 Einwohner - in China sind es noch unter 20, in Indien unter 10. Würden diese Länder auf einen Schlag mit uns gleichziehen, ließe der Anstieg der Treibhausgasemissionen das Klima wahrscheinlich auf der Stelle kollabieren.
Konsumwahn einschränken. Unser ökologischer Fußabdruck wird komplettiert von unserem Konsumverhalten, das für rund 30 Prozent seiner Größe verantwortlich ist - jedes Produkt, jedes Erzeugnis verbraucht bei der Herstellung Ressourcen und Energie und verursacht bei der Entsorgung Abfall. Für jeden Konsum und jedes Produkt gilt daher: wenn möglich vermeiden. Wenn nötig, dann langlebige Produkte, diese mit anderen teilen, oft wiederverwenden und reparieren. Den größten Teil des in der Kategorie Konsum anfallenden Fußabdrucks verursachen allerdings öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen wie Straßenbau und -erhaltung, Errichtung und Inbetriebhaltung öffentlicher Gebäude, Schulen, Spitäler, Militär, Feuerwehr etc. etc. Diese Elemente des nationalen Fußabdrucks werden pauschal als sogenannter "grauer Fußabdruck" dem Bereich Konsum zugerechnet. Den bekommen Sie quasi aufgebrummt, auch wenn Sie selbst nur wenig zu seiner Reduktion beitragen können. Einmal mehr ist die Politik aufgerufen, ihr Scherflein beizutragen.