Die EU-Aufnahme unserer Nachbarn wird positiv beurteilt - der Ausblick auf neue Erweiterungsschritte ist aber getrübt.
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Am 1. Mai 2004 wurden auch unsere Nachbarn Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Slowenien Mitglieder der EU. Heute - nach 15 Jahren - bilanzieren die Österreicher hierzu positiver, als dies noch in den vergangenen Jahren der Fall war. Eine Mehrheit von 55 Prozent ist, gemäß aktueller Umfragedaten, der Ansicht, dass die Aufnahme unserer Nachbarländer in die EU eine gute Entscheidung war. Lediglich jeder Zehnte sieht dies negativ - vor fünf Jahren war es noch jeder Vierte. Für die Hälfte hat die Erweiterung mehr Vorteile für unser Land mit sich gebracht, ein Fünftel kann dem nicht zustimmen. Auch was die Auswirkungen auf die heimischen Grenzregionen betrifft, überwiegen für die Befragten die Vor- gegenüber den Nachteilen.
Die Integration unserer Nachbarländer in die EU war der logische Abschluss einer Entwicklung, die mit dem Fall des Eisernen Vorhangs bzw. der Auflösung Jugoslawiens ihren Ausgang genommen hatte. Heute ist die Fahrt über die Grenze - durch die gemeinsame Schengen-Mitgliedschaft - denkbar unkompliziert, die Slowakei und Slowenien gehören zudem der Eurozone an. Voraussetzungen, die sich - gerade für die Jungen - fast schon als selbstverständlich anfühlen, es aber über Jahrzehnte nicht waren.
Diese historische Perspektive gilt es - bei allen Auffassungsunterschieden und unterschiedlichen Integrationsvorstellungen - nicht aus den Augen zu verlieren. Das sehen auch die Österreicher so: Knapp sechs von zehn Befragten haben den Eindruck, dass Österreich und die Nachbarländer durch die gemeinsame EU-Mitgliedschaft näher zusammengerückt sind. Ein Beleg für das verbindende Potenzial, das der EU gerne abgesprochen wird.
Mit dem 1. Mai ist aber auch ein weiterer Jahrestag verbunden: Vor acht Jahren öffnete sich der heimische Arbeitsmarkt für die neuen EU-Mitglieder. Das Inkrafttreten der Arbeitnehmerfreizügigkeit war mit vielen Sorgen verbunden. Heute ist das Meinungsbild zumindest etwas freundlicher. So sagt ein Drittel, dass die Arbeitsmarktöffnung positive Auswirkungen mit sich gebracht hat, explizit negative Folgen konstatieren 27 Prozent. Wie Zahlen des AMS zeigen, stieg das Arbeitskräftepotenzial aus den Nachbarländern gerade im ersten Jahr nach Beginn der Arbeitnehmerfreizügigkeit stark an, flachte dann aber wieder ab. Durch den Arbeitskräftezuzug sei es auf der einen Seite zu einer Verdrängung von meist geringer qualifizierten Arbeitnehmern gekommen, andererseits wurden dadurch offene Stellen besetzt.
Dennoch ist ein Hauptkritikpunkt - das Risiko von Lohn- und Sozialdumping - weiterhin aktuell. Die Etablierung einer neuen EU-Arbeitsmarktbehörde könnte hier helfen. Einige der 2004 beigetretenen Länder haben zudem selbst mit massivem Arbeitskräftemangel zu kämpfen.
Rückblickend war die EU-Integration unserer Nachbarn ein notwendiger und letztlich erfolgreicher - wenn auch noch lange nicht abgeschlossener - Prozess. Ebenso ist sie ein Auftrag - trotz Erweiterungsmüdigkeit, dem Chaos rund um den Brexit und zäher Reformfortschritte sowohl in der EU selbst als auch in der Region -, den Ländern am Westbalkan die weitere Annäherung an die EU zu ermöglichen.