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15 Sekunden zwischen Hypes und Fuck-ups

Von Wolfgang Liu Kuhn

Wirtschaft
© Fifteen Seconds/Nino Groß

In Graz geht das Fifteen Seconds Festival in die fünfte Runde.


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Graz. Am Anfang war die Skepsis. Als die Gründer Thiemo Gillissen und Stefan Stücklschweiger 2014 ihre Konferenz "Marketing Rockstars" an den Start brachten, gab es nicht wenige Zweifler. So ein Format könne nicht funktionieren, schon gar nicht in Graz, dieser Stadt mit dem etwas angestaubten Image einer Pensionisten-Residenz. Zudem gab es kein Netzwerk und wenig Grundverständnis für diese Art von Veranstaltung.

Und doch wurden die hochgesteckten Ziele bereits im ersten Jahr erreicht, es kamen 1300 Besucher. Das Publikum: bärtige Hipster und tätowierte Digitalgurus neben eleganten Managern im feinen Tuch. 2015 folgte die Umbenennung in "Fifteen Seconds", für die nunmehr fünfte Auflage werden 5000 Teilnehmer erwartet.

Auf der Suche nach einer Geschäftsidee

"Wir waren 2012 auf der Suche nach der perfekten Geschäftsidee und haben in diesem Zusammenhang einige Marketing-Konferenzen im Ausland besucht. Dabei haben wir festgestellt, dass es in diesem Bereich qualitative Defizite gab, und wir wollten das Thema neu erfinden", erinnert sich Gründer Stücklschweiger.

Dass sich die Idee durchsetzte, ist in erster Linie der Hartnäckigkeit der beiden Initiatoren zu verdanken: "Wir haben einfach enorm viel Überzeugungsarbeit geleistet und viele, viele Türklinken geputzt. Wir wollten beispielsweise einen ganz bestimmten Speaker bei unserer Veranstaltung, den wir 43 Mal angeschrieben haben - beim 44. Mal hat er dann tatsächlich geantwortet."

Die Speaker reden unentgeltlich

Das prinzipielle Konzept ist bis heute gleich geblieben: Nach wie vor kommen die Speaker unentgeltlich, was angesichts der honorigen Persönlichkeiten durchaus bemerkenswert ist. In diesem Jahr wurden wieder etliche internationale Größen an die Mur gelotst, unter anderem: Lilian Leong, Chief Operations Officer von 9GAG, der Millennial-Entertainment-Plattform mit 150 Millionen Usern. Sergio Rodriguez, Head of Digital Transformation & Innovation bei "El Mundo", der zweitgrößten spanischen Tageszeitung. Mick Batyske, ein New Yorker Multitalent mit Kunden wie Nike, Michelle Obama und Kanye West. Oder Tim Dignard, Sponsorship Manager der UEFA Champions League.

Die vielleicht klingendsten Namen sind der bekannte Futurist und Schriftsteller Ben Hammersley aus London und der New Yorker Digitalstratege Kodi Foster, der den Bereich Data Strategy beim US-Medienkonglomerat Viacom leitet. "Die Veranstaltung hat sich etabliert und genießt einen guten Ruf. Die Vortragenden profitieren vor allem vom Netzwerk-Effekt, weswegen wir hier auch von unserer ‚Speaker Family‘ sprechen. Für sie bietet das Festival vor allem die Chance, neue Businessideen zu generieren und ihren Einfluss zu erweitern", sagt Stücklschweiger.

Inhaltlich hat sich die Veranstaltung deutlich weiterentwickelt. Ursprünglich als Marketing-Konferenz konzipiert, hat sich das Event zu einem interdisziplinären Business-Festival entwickelt. Thematisch reicht die Bandbreite dabei von Themen wie Marketing, Advertising, Media, Technology, Digital bis zu Human Resources und Leadership. Rund 100 Redner sprechen auf fünf bespielten Bühnen und 12.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, auf denen in diesem Jahr neue Formate geboten werden. Da gibt es beispielsweise die "Fuck-up Talks", bei denen Geschichten des Scheiterns und schlechte Business-Ideen erzählt werden. In diesem Jahr soll die Freifläche besser genutzt werden, wo es nun die "Campfire Circles", also Lagerfeuer-Diskurse gibt.

Besucher müssen sich also entscheiden, welchen Rednern sie ihr Gehör schenken - und dafür haben sie exakt 15 Sekunden Zeit: "Jeder Speaker muss zu Beginn in 15 Sekunden klarmachen, worum es in der nächsten Stunde gehen wird. Damit erklärt sich auch der Titel der Veranstaltung, denn Konsumenten entscheiden aus einem Bauchgefühl heraus innerhalb von 15 Sekunden, ob sie etwas gut finden oder nicht", erklärt Stücklschweiger den Namen des Events, das in diesem Jahr "Neugier" als großes Über-Thema hat.

Die Zukunft gehört den Neugierigen

Wir sind der Überzeugung, dass die Zukunft den Neugierigen gehört. Für uns sind das jene Menschen, die sich im besten Sinne ihr inneres Kind bewahrt haben. Sie empfinden die fortlaufende Auseinandersetzung mit neuen Technologien und Denkansätzen nicht als Belastung, sondern begrüßen sie mit Faszination und Freude. In einer Welt, die sich immer schneller dreht, ist das ein klarer Wettbewerbsvorteil."

Dazu passt, dass das Publikum in den letzten Jahren immer internationaler geworden ist. Der Anteil der Besucher aus den umliegenden europäischen Ländern hat im letzten Jahr erstmals jenen der österreichischen überwogen, vor allem aus Deutschland kamen viele Gäste. So überrascht es nicht, dass auch das Festival selbst den Schritt der Internationalisierung geht: Im September findet erstmals ein Fifteen Seconds außerhalb Europas statt, nämlich in den USA: "In Detroit wird das Thema Motorisierung im Mittelpunkt stehen, wir erwarten zum Start 2000 Teilnehmer. Die Internationalisierung ist ganz klar der Weg des Unternehmens, damit wir das gesammelte und archivierte Wissen unserer Community weltweit zur Verfügung stellen können."