Eine Bilanz über die ersten 150 Tage der neuen Regierung präsentierten am Montag die Klubobmänner der ÖVP und FPÖ, Andreas Khol und Peter Westenthaler. Demnach wollen die beiden Koalitionsparteien auch im Herbst ein hohes Reformtempo fahren.
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"Wir werden also die Wende, die zur Normalität geworden ist, auch in den Herbst tragen", betonte Westenthaler.
Die Klubchefs verwiesen hiebei auf den Widerstand, welcher der neuen Regierung anfangs entgegen gebracht worden sei. Die Opposition habe sich jedoch, so Khol, in der Zwischenzeit in den parlamentarischen Prozess einbinden lassen.
"Jetzt beginnt der große Systemumbau", kündigte Westenthaler an. Für den Herbst kündigten die beiden Klubobmänner ein neues Rundfunkgesetz sowie Reformen in Sachen Telekom und Privatisierungen sowie Ausgliederungen an.
Ein zentraler Schwerpunkt werde aber das Budget sein, das Defizit soll bis zum Ende der Legislaturperiode bei Null liegen. Westenthaler sprach von einem schlanken, modernen Staat, einer effizienteren Verwaltung und einem Belastungsstopp. Auch die Treffsicherheit der Sozialleistungen solle überprüft werden. Weiters betonten Khol und Westenthaler, man werde versuchen, Steuererhöhungen auszuschließen. (Siehe auch Seite 5) Heftig trat Westenthaler gegenüber Spekulationen auf: "Wenn man für Spekulationen eine eigene Spekulationssteuer einführen würde, hätten wir das Budget saniert".
Die Haben-Seite
Auf der Haben-Seite der neuen Koalition vermerkten Khol und Westenthaler die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, die neue Regelung für den ÖIAG-Aufsichtsrat, die Stromlösung, die Pensionsreform und die Krankenkassen.
Khol verwies außerdem auf das Versöhnungsfondsgesetz zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern und die Verankerung der Volksgruppen in der Verfassung. Westenthaler wiederum betonte die Privilegiendebatte und die Abschaffung von Privilegien der Arbeiter-Kammerpräsidenten. Jene Regelung für Politikerpensionen, die in Einzelfällen Doppelpensionen ermöglicht, sollen abgeschafft werden.
Der "Reformstau" habe behoben werden können, das Regierungsprogramm sei aber noch lange nicht umgesetzt - darüber herrscht Einigkeit.
Kritik übte der FPÖ-Klubobmann speziell an der SPÖ, die in einem "Skandalsumpf" versinke. Dies betreffe die Bank Burgenland genau so wie die Schulden der Partei oder die steirische Spitzelaffäre.
Causa Euroteam
Auch einen SPÖ-Skandal aus dem Vorjahr will die FPÖ wieder zum Thema machen: Man überlege, die Causa Euroteam vom Parlament untersuchen zu lassen.
Der Vorsitzende des parlamentarischen RH-Ausschusses, der Grüne Abg. Werner Kogler, erinnerte im Zusammenhang Euroteam an die World Vision-Affäre und die "dubiose Parteienfinanzierung" der ÖVP. Euroteam müsse lückenlos aufgeklärt werden, so Kogler. Es gehe aber nicht an, dass die Regierungsfraktionen ständig nur die roten Sünden der Vergangenheit aufrollen wollen und dabei auf die Affären, in die die ÖVP verwickelt gewesen sei, "vergessen".
Kritik an der Regierung kam unterdessen auch vom geschäftsführenden Klubobmann der SPÖ, Peter Kostelka, (siehe untenstehenden Kasten), sowie von Gewerkschaftsseite. ÖGB-Frauenvorsitzende Renate Csörgits sprach von einer "Gruselstory" von ÖVP und FPÖ zu Lasten der Klein- und Mittelverdiener. Das europaweit anerkannte Prinzip der Sozialpartnerschaft werde völlig ignoriert.
Der Bundessekretär der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG), Karl Drochter, sprach von einer "Bilanz der Grausamkeiten". Im Herbst, so erwartet er, "geht das Schröpfen weiter".