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15.000 Milliarden Dollar Schulden und keine Lösung

Von Stefan Melichar

Wirtschaft

Sogenanntes "Super-Komitee" vor dem Aus - Folgen automatische Einsparungen?


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Washington/Wien. Während Europa gerade in der Staatsschuldenkrise zu versinken droht, platzt jenseits des Atlantiks ein Versuch nach dem anderen, die dortigen Budgetprobleme unter Kontrolle zu bringen. Vor wenigen Tagen hat die Staatsverschuldung in den USA die Marke von 15.000 Milliarden US-Dollar übersprungen und ist mittlerweile auf mehr als 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) angestiegen.

Das Congressional Budget Office - quasi der US-Rechnungshof - erwartet für heuer ein Budgetdefizit von 8,5 Prozent des BIP (1284 Milliarden Dollar). Bei Fortschreibung wichtiger politischer Programme bleibt das Defizit bis 2021 deutlich über 3 Prozent (siehe Grafik). Zum Vergleich: Österreichs Staatsschuldenquote liegt bei rund 74 Prozent des BIP, das Defizit bei 3,9 Prozent - und Letzteres soll 2013 unter die 3-Prozent-Marke sinken.

Während Österreich jedoch mit der Einführung einer Schuldenbremse um das Vertrauen der Finanzmärkte kämpft, lassen sich die USA noch Zeit: Mehrere Initiativen zur Reduktion des Defizits blieben letztlich ohne zählbare Ergebnisse, im Sommer konnten auch der demokratische US-Präsident Barack Obama und der Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus, John Boehner, die tiefen Gräben zwischen den beiden Parteien nicht überbrücken. Zumindest wurde in der Folge ein parteiübergreifendes Gremium - das sogenannte "Super-Komitee" - ins Leben gerufen, um ein Konsolidierungsvolumen von 1200 Milliarden Dollar über die nächsten zehn Jahre durch den Kongress zu bringen. Mit dessen bevorstehendem Aus ist nun möglicherweise die letzte Chance vor der Präsidentenwahl im November 2012 verstrichen.

Grundsätzliche Differenzen

Eigentlich hätten die zwölf Mitglieder des Komitees - sechs Demokraten und sechs Republikaner - bis Mittwoch Zeit gehabt, gemeinsame Vorschläge auszuarbeiten. Bereits am Wochenende deutete sich jedoch an, dass die tiefen Gräben zwischen den Parteien nicht zu überwinden sein dürften. Laut Nachrichtenagentur Reuters war noch für Montag eine offizielle Erklärung geplant, der zufolge das Super-Komitee gescheitert sei. Es hieß zwar, dass es noch Gespräche gebe, man aber nicht mehr an einen Deal glaube. "Ich bin nicht optimistisch", so der republikanische Senator Jon Kyl im Fernsehsender "Fox". "Ich will keine falschen Hoffnungen wecken."

Offenbar konnten Demokraten und Republikaner bis zuletzt ihre gegensätzlichen Differenzen bei der Frage, wie der Staatshaushalt konsolidiert werden soll, nicht überwinden: Die Republikaner lehnen Steuererhöhungen ab, die Demokraten wollen zu tiefe Einschnitte bei staatlichen Ausgaben - etwa im Gesundheitsbereich oder bei Sozialleistungen - vermeiden.

Thema vorerst vom Tisch?

Im republikanischen Lager gibt es durch die populäre fiskal-konservative Tea-Party-Bewegung massiven Druck - auch auf gemäßigtere Abgeordnete -, keinen höheren Steuern zuzustimmen. In beiden Parteien nimmt jedoch mit zunehmender Nähe zur Präsidenten- und Kongresswahl im November 2012 die Bereitschaft ab, Kompromisse einzugehen. Beobachter gehen davon aus, dass beide Seiten nun dem jeweiligen Gegner das Scheitern des Super-Komitees in die Schuhe schieben wollen.

Für den Staatshaushalt der USA bedeutet das politische Patt freilich nichts Gutes. Das Komitee hätte - dank seiner rechtlichen Ausgestaltung - die einzigartige Möglichkeit gehabt, Gesetzesvorschläge ohne formelle parlamentarische Blockaden und Aufweichungen durch den Kongress zu bringen. Ein endgültiger Beschluss wäre noch vor Weihnachten geplant gewesen. Nun ist zu erwarten, dass das Thema der umfassenden Budgetkonsolidierung erst wieder 2013 - also nach den Wahlen - aufs Tapet kommt. Spannend ist freilich die Frage, ob die - mit dem Scheitern des Super-Komitees verbundenen - automatischen Ausgabenkürzungen von 1200 Milliarden Dollar ab dem Budget 2013 tatsächlich in Kraft treten.

Festgelegt ist, dass - sollte das Komitee kein ausreichendes Ergebnis bringen - die Ermessensausgaben um mehr als 1000 Milliarden Dollar (bis 2021 um mehr als 1200 Milliarden Dollar) gekürzt werden. Rund die Hälfte davon würde auf den Verteidigungs-Etat entfallen, was die Republikaner schmerzt, die andere Hälfte auf Ausgaben, die den Demokraten wichtiger sind. Die Automatik war vorgesehen, um die Kompromissbereitschaft im Super-Komitee zu erhöhen.

Kongress "nicht gebunden"

Das ist wohl nicht ausreichend gelungen. Nun darf man gespannt sein, ob die vereinbarten Kürzungen per Rasenmäher-Methode tatsächlich ihre Wirkung entfalten. Vor wenigen Wochen erklärte der republikanische Senator John McCain laut dem Wirtschaftsmagazin "Economist", dass der Kongress durch diese Bestimmung nicht gebunden sei. "Das ist etwas, das wir beschlossen haben, wir können es auch rückgängig machen", so McCain.

Falls diese - quasi schon beschlossenen - Konsolidierungsmaßnahmen tatsächlich rückgängig gemacht werden, dürfte die ganze Welt mit Spannung auf die Finanzmärkte blicken, die derzeit noch eher die Länder der Eurozone als die USA kritisch beäugen.

Zwar war die Entwicklung an den internationalen Börsen am Montag negativ. Grund dafür war jedoch nicht nur das Schuldendilemma in den USA, sondern auch die Sorge über die Top-Bonität Frankreichs. Offenbar haben viele Investoren gar nicht mit einem substanziellen Erfolg des Super-Komitees gerechnet. Dass die beiden Ratingagenturen Fitch und Moody’s nun ihren Branchen-Kollegen von Standard & Poor’s (S&P) folgen und den USA die Top-Bonitätsnote AAA aberkennen, wird eher nicht erwartet. Möglicherweise wird das Triple-A jedoch mit einem negativen Ausblick versehen.

S&P hatte die Abstufung der USA im Sommer unter anderem mit der schwierigen politischen Situation und den daraus folgenden Problemen bei wichtigen Entscheidungen und Reformen begründet. Ein unrühmliches Ende des Super-Komitees könnte diesen Eindruck verstärken.

Tatsächlich fürchten Beobachter nun, dass sich Demokraten und Republikaner nicht einmal auf die Verlängerung konjunkturstützender Maßnahmen einigen können und letztlich die Wirtschaft in eine neuerliche Rezession abdriften könnte (siehe Artikel unten). Längerfristig dürfte jedoch der Staatshaushalt zu einem immer drängenderen Problem werden. Derzeit profitiert Washington noch davon, dass die Märkte durch die Krise in Europa abgelenkt sind.