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Viele Gemeinden zögern noch vor einem Zusammenschluss mit anderen.
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Graz. Die Regierungspartner in der Grazer Burg, Landeshauptmann Franz Voves und Hermann Schützenhöfer, zeigen sich dieser Tage zufrieden: Die Gemeindestrukturreform, die für 2015 zahlreiche Zusammenlegungen von steirischen Gemeinden vorsieht, ist in vollem Gange. Bereits 160 von 542 Gemeinden haben sich zu einem freiwilligen Zusammenschluss bereit erklärt. Darunter auch die südsteirische Stadt Leibnitz. Hier soll durch Einbeziehung einiger angrenzender Gemeinden ein gewichtiger Wirtschaftsstandort entstehen. Doch vorerst hat sich von insgesamt fünf Gemeinden einzig Kaindorf an der Sulm zu einer Fusion bereit erklärt.
Wenn es nach den Wünschen des Leibnitzer Bürgermeisters Helmut Leitenberger (SPÖ) geht, sollen auch noch vier weitere Gemeinden ins Boot geholt werden. Doch diese lehnen dies bisher unisono ab.
Leibnitz liegt etwa 40 Kilometer südlich von Graz. Der Stadtkern wirkt, stellvertretend für viele österreichische Kleinstädte, etwas verweist. Viele der kleinen Geschäfte rund um den Hauptplatz haben in den vergangenen Jahren zugesperrt. Vor vier Jahren hat am Stadtrand ein riesiges Einkaufszentrum eröffnet. Besonders die Abwanderung der Jugend macht der Region zu schaffen; in den letzten zehn Jahren lag die Jugendabwanderung bei etwa 15 Prozent. Leibnitz zählt heute knapp 7800 Einwohner. Durch einen Zusammenschluss mit den Gemeinden Seggauberg, Wagna, Gralla, Tillmitsch und Kaindorf würde die Zahl auf mehr als 20.000 Menschen anwachsen. "Durch eine Fusion würden wir auf der Achse Graz-Maribor zu einem wirtschaftlichen Gewicht werden", argumentiert Bürgermeister Leitenberger.
Warum vier seiner Nachbargemeinden eine Großgemeinde ablehnen, könne er nicht ganz verstehen. "Die Kollegen sagen, sie hätten alles. Die Frage lautet aber: Welchen Spielraum habe ich in Zukunft noch, wenn ich alleine bleibe", so der Bürgermeister. Zudem würden die umliegenden Gemeinden bereits seit Jahrzehnten die Infrastruktur der Stadt Leibnitz nutzen, ohne dafür bezahlen zu müssen. "Rund 4000 Kinder gehen in Leibnitz zur Schule. Diese gehen im Turnunterricht alle gratis ins städtische Freibad. Dasselbe gilt für die vielen Sportvereine. Das wird alles von der Stadt Leibnitz bezahlt", sagt Leitenberger.
Kurt Stessl (ÖVP), Bürgermeister von Kaindorf, sieht in einer Zusammenlegung eine große, wenn nicht sogar die einzige Chance für seine nicht einmal 3000 Einwohner zählende Gemeinde. Jetzt ginge es seiner Gemeinde zwar noch gut, doch "der Wohlstand wird sich in Zukunft nicht mehr weiter steigern lassen". Daneben sei es in der Vergangenheit immer schwieriger geworden, freiwillige Personen zu finden, die im Gemeinderat mitarbeiten wollen. Die Kaindorfer Bevölkerung stehe den Plänen durchaus positiv gegenüber, erklärt Stessl. Lediglich die FPÖ, genauer der einzige blaue Gemeinderat, sei dagegen. Dahinter vermutet der Bürgermeister jedoch in erster Linie, dass sein Kollege damit die FPÖ-Landesmeinung vertritt. Dort befürchtet man, dass durch die Gemeindestrukturreform höhere Kosten bei Müll, Kanal, Wasser und auch längere Amtswege auf die Bürger der neuen Großgemeinden zukommen werden.
Auch Alfred Langbauer (SPÖ), Bürgermeister von Tillmitsch, bezweifelt, dass seine Gemeinde, der es nach eigenen Angaben finanziell recht gut geht, einen Nutzen aus einer Fusionierung mit Leibnitz ziehen könnte. "Jetzt sind wir noch eine umworbene Braut, aber wenn die Mitgift fort ist, bleibt nichts übrig."
Keinerlei Veränderungsbedarf und somit eine hundertprozentige Ablehnung gegenüber den Plänen der Landesregierung sieht der Bürgermeister von Gralla, Hubert Isker (SPÖ). Die etwa 2000-Seelen-Gemeinde, die durch den Kriminalfall Franz Fuchs traurige Berühmtheit erlangt hat, steht finanziell gut da.
Laut Isker verfüge Gralla jedes Jahr über eine freie Finanzspitze von 500.000 Euro und sei keineswegs von einer Abwanderung der Bevölkerung betroffen. Er sehe somit keinerlei Veränderungsbedarf.
Erste Vorschläge der steirischen Landesregierung für eine Gemeindestrukturreform kamen bereits im Herbst 2011. Unter dem Slogan "Stärkere Gemeinden - Größere Chancen" wurde die erste Phase eingeleitet, in der die Gemeinden ihre einzelnen Vorschläge einbringen konnten.
Die Meldefrist für eine freiwillige Zusammenlegung ist am 30. November 2012 abgelaufen. Jenen Gemeinden, die ihre Fusionen auch wirklich umsetzen, winkt eine einmalige Prämie von 200.000 Euro vom Bund pro wegfallende Gemeinde. Auch aus dem zehn Millionen Euro schweren Reformfonds des Landes Steiermark wird es Geld für die Gemeinden geben, die im Jänner einen Fusionsbeschluss unterzeichnen werden. In welcher Höhe, ist noch nicht geklärt.
Ebenso wenig bekannt ist, wer die 160 Gemeinden sind, die sich bereits dafür gemeldet haben; ihre Identität wird von der steirischen Landesregierung noch geheim gehalten. "Es muss sichergestellt werden, dass die Bevölkerung zum richtigen Zeitpunkt die relevanten Informationen erhält", heißt es dazu im Handbuch zur Gemeindestrukturreform.