"Im Fall Österreichs fehlen symbolträchtige Fotos". | Historiker Vocelka über Jugendrevolte. | Wien. Länder wie die USA, Frankreich, Deutschland und Italien standen im Zentrum des Umbruchs, der unter dem Begriff 68er-Revolution in die Geschichte eingegangen ist. Auf den Umstand, dass die Jugendrevolte auch Tokio, Zürich, Tel Aviv und Staaten wie Bolivien und Sudan berührt hat, wies der Historiker Karl Vocelka bei einer Vorlesung an der Uni Wien hin. Österreich blieb weitgehend an der Peripherie des Phänomens, wie der Historiker, der Mitautor des Buches "Die zahme Revolution" ist, vor dem studentischen Publikum ausführte.
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Während es an der kalifornischen Universität Berkeley vor 40 Jahren brodelte, sich in Paris Renault-Arbeiter mit Sorbonne-Studenten solidarisierten und mit der Polizei Straßenschlachten lieferten, die die Regierung De Gaulle in arge Bedrängnis brachten, blieben die Manifestationen des Widerstandes hierzulande in überschaubarem Rahmen.
Vocelka verwies in diesem Zusammenhang auf die Orgie im Hörsaal 1 vom 7. Juni 1968, eine Veranstaltung, bei der die Künstler Günter Brus, Otto Mühl und Peter Weibel mit der so genannten "Uni-Ferkelei" provozierten. Unter anderem wurde damals die Notdurft unter Absingen der Nationalhymne verrichtet. Es blieb aber bei diesen Einzelaktionen, zu einer Mobilisierung der Massen kam es in Österreich nie.
Vocelka bot bei der Veranstaltung, die Teil einer mit internationalen Kapazitäten besetzten Ringvorlesung ist, eine interessante Erklärung dafür, warum die Ereignisse des Jahres 1968 heute, 2008, schwach im öffentlichen Bewusstsein verankert sind: "Es fehlen für Österreich die symbolträchtigen Fotos, wie sie etwa im Fall der Unterzeichnung des Staatsvertrages existieren", weiß der Historiker.