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1G-Regel an Unis rechtlich heikel

Von Daniel Bischof

Politik

Einige Unis wollen auf die 1G-Regel setzen, Verfassungsrechtler sehen mehrere Problemfelder.


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Dürfen künftig nur noch geimpfte Studenten die Hörsäle besuchen? An Kursen teilnehmen? Prüfungen absolvieren? Es sind rechtlich heikle Fragen, die sich nach dem Vorpreschen einiger Unis in der Debatte um die 1G-Regel stellen. Für eine solche Regel für das kommende Wintersemester haben sich vergangene Woche die Rektorate der Uni Klagenfurt und Uni Salzburg ausgesprochen.

Einige Medizin-Unis haben sich bereits auf ihr Vorgehen im neuen Semester festgelegt. Die Medizinfakultät der Uni Linz sieht eine 3G-Regel vor, an der Med Uni Graz gilt für Studenten bis auf Ausnahmefälle die 2G-Regel. In Wien und Innsbruck müssen Studenten hingegen ab dem klinischen Bereich, also dem ersten Patientenkontakt, die 1G-Regel befolgen. Das ist in Wien etwa spätestens am Ende des zweiten Studienjahrs der Fall.

Studenten, die sich nicht impfen lassen, drohen erhebliche Einschränkungen. Die Eingriffe betreffen das Recht auf Bildung und die Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre. Von diesen Rechten umfasst seien auch "die Freiheit des Lernens und der Zugang zu einer Universität", sagt Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk von der Sigmund Freud Privatuniversität Wien.

Schwieriger Sonderweg

Eingriffe in diese Grundrechte brauchen eine sachliche Rechtfertigung. Als problematisch erachten die Verfassungsrechtler hierbei vor allem einen Alleingang der Universitäten bei der 1G-Regel. Gemäß dem 2. Covid-19-Hochschulgesetz könne das Rektorat zwar verfügen, dass Studenten für die Teilnahme an Prüfungen oder Vorlesungen "eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr" nachweisen müssen, sagt Verfassungsrechtler Christoph Bezemek von der Uni Graz.

Allerdings seien die Möglichkeiten für diesen Nachweis anhand des Epidemiegesetzes und der Verordnungen des Gesundheitsministers zu beurteilen. Da dort derzeit noch klar der Kurs der 3G-Regel festgelegt sei, werde es für die Unis schwierig, einen 1G-Sonderweg zu rechtfertigen, sagt Bezemek.

Auch Verfassungsrechtler Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck ist skeptisch: "Alleine bei den Unis sehe ich das kritisch. Und noch schwieriger wird es, wenn jede Uni die Regeln für sich selbst entscheidet." Es sei fraglich, worin sich etwa der Hörsaal der Uni von einem Wifi-Kurs unterscheide, sagt Bußjäger: "In beiden Räumen sind Leute untereinander und werden unterrichtet." Mehr Spielraum gibt es laut Bezemek und Bußjäger nur bei den Medizin-Unis und Fakultäten mit Laborbetrieb. Diese könnten ähnlich wie die Nachtgastronomie als besonders sensibler Bereich angesehen werden, sagt Bußjäger.

Umgang mit Genesenen

Während die Differenzierung zwischen Geimpften und Getesteten laut den Verfassungsrechtlern noch leichter zu rechtfertigen sein wird, ist unklar, ob dies auch für die Unterscheidung von Geimpften und Genesenen gilt. "Genesene müssten den Geimpften gleichgestellt werden. Das halte ich für unvermeidbar, alles andere wäre eine unsachliche Benachteiligung", sagt Verfassungsrechtler Funk. Zudem müsse geprüft werden, wie mit Studenten umgegangen werde, "die mit Impfstoffen geimpft sind, die bei uns nicht zugelassen sind - darunter Sputnik", sagt Funk.

Wenn es einen wirklich guten Grund gebe, um Genesene nicht einzubeziehen, könne eine 1G-Regel gerechtfertigt werden, sagt Bußjäger. So könnte man in einer Pandemie ins Treffen führen, dass man versuche, die Studenten zur Impfung zur bewegen: "Und wenn es eine 2G-Regel gibt, bietet man Nichtgeimpften die Alternative, sich zu infizieren." Ob dieses Argument aber vom Verfassungsgerichtshof akzeptiert werden würde, sei fraglich, sagt Bußjäger.

Bildungsminister skeptisch

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hielt die 1G-Überlegungen der Rektoren am Wochenende für eine "mutige Aussage". Er habe aber Zweifel, dass man dies zu diesem Zeitpunkt durchsetzen kann: "Denn ‚genesen‘ ist epidemiologisch gesehen ein sehr brauchbarer Zustand, um weitere Infektionen zu verhindern." Auch, "geimpft" durch einen aussagekräftigen Test zu ersetzen, "halte ich für eine legitime Variante. Ich halte viel von einer systematischen 3-G-Regelung".