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2. November

Von Ralf Beste

Gastkommentare
Ralf Beste ist seit September 2019 deutscher Botschafter in Österreich. Davor war der studierte Historiker als Journalist tätig, unter anderem für die "Berliner Zeitung" und den "Spiegel".
© Deutsche Botschaft Wien

Die neue, schreckliche Erfahrung des Terrorismus in Österreich bringt unsere Länder näher zusammen - in der Trauer, in der Reaktion.


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In dieser Kolumne schreibe ich viel über - für mich - überraschende Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen unseren beiden Ländern. Aber ich gebe zu: Dass Österreich im Unterschied zu Deutschland seit Jahrzehnten keine Terrorangriffe im eigenen Land erlebt hatte, war mir nicht präsent. Das hat sich mit dem Anschlag vom 2. November in der Wiener Innenstadt auf grauenhafte Art geändert.

Viele Menschen bis hinauf zum Bundeskanzler Kurz haben in den letzten Tagen darüber gesprochen, dass Österreich eben doch keine "Insel der Seligen" sei. Ich kannte den Begriff zwar, aber erst jetzt ist mir klargeworden, wie wichtig auch die Abwesenheit von terroristischer Gewalt für dieses Selbstbild war. Mit Erzählungen wie der "Insel der Seligen" verhält es sich ein wenig wie mit der vom "Ende der Geschichte": Sie sind zwar zu schön, um wahr zu sein, aber verlockend genug, um irgendwie doch daran zu glauben.

Bei einem Besuch an den Tatorten im sogenannten Bermudadreieck Wiens und an der Synagoge spürte ich, wie tief der Schock über diesen Anschlag sitzt. Junge Menschen hockten weinend auf der Mauer, das Pflaster war stellenweise noch rot vom Blut, an jedem einzelnen Tatort ein kleines Meer von Grableuchten.

Wir Deutsche mussten Terror leider schon viel zu oft erfahren, noch mehr unsere französischen Freunde. Die Liste der Messerstechereien und Enthauptungen, Sprengungen und Schießereien macht fassungslos und ist zum Verzweifeln. Dass Österreich das nun auch passiert ist, rückt die Grausamkeit des Terrors noch einmal neu in unser Blickfeld - und lässt uns als Nachbarn und europäische Familie näher zusammenrücken. So empfinde ich es zumindest in diesen Tagen.

In der Trauer sind wir vereint. Nicht nur deswegen, weil auch Deutsche unter den Opfern sind. Der Tod kennt keine Nationalität. Und der Terror auch nicht. Terroristen arbeiten grenzüberschreitend, und sie akzeptieren keine Grenze. Terrorismus - ob islamistisch oder rechtsextremistisch motiviert - wendet sich gegen unsere freiheitliche und tolerante Lebensweise. Er will unser friedliches Zusammenleben untergraben und zerstören.

Deswegen müssen wir - Österreicher, Deutsche, Europäer - auch in der Reaktion vereint sein.