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"20 Prozent Spitzenforscher"

Von Eva Stanzl

Wissen

Eine Milliarde pro Jahr für Grundlagen- Spitzenforschung. | Österreich mangels Geld zu wenig wettbewerbsfähig. | "Wiener Zeitung": Wo steht Europas Forschung? | Helga Nowotny: Vorweg: Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert exzellente Grundlagenforschung. Wir sind ein Teil des siebenten EU-Rahmenprogramms zur Forschungsförderung. Aber für uns gilt nicht das Prinzip des "Juste Retour", wonach die Länder für ihre Gelder Rückflüsse in Form von Förderungen bekommen müssen. Europa steht in einigen Gebieten sehr gut da, in anderen weniger und wir wollen die Grundlagenforschung auf das höchste Niveau führen.


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Worin ist Europa gut?

In den alten Disziplinen - Physik, Chemie, Mathematik - schneidet Europa bei Qualität und Zahl der Publikationen sehr gut ab. Weniger gut sind wir in neuen Forschungsgebieten wie den Lebenswissenschaften. Zwar haben wir in diesem Bereich ausgezeichnete Forschung, aber sie ist sehr ungleich verteilt.

Was kann der Europäische Forschungsrat da machen?

Wir vergeben eine Milliarde Euro jährlich an junge und etablierte Einzelpersonen, wobei wir vor allem ein Signal zur wissenschaftlichen Nachwuchsförderung setzen wollen. Demnächst werden wir das 1000. Stipendium vergeben.

Seit dem Start des ERC 2006 bekommen Einzelpersonen von uns im Schnitt 1,5 Millionen Euro. Sie können damit fünf Jahre völlig unbeeinflusst an ihrem Projekt arbeiten. Nachwuchsforscher können von zwei Jahre bis zehn Jahre nach dem Abschluss des Doktorats einreichen. Etablierte Wissenschafter müssen intensive Forschungstätigkeit nachweisen.

Wie unabhängig kann der ERC wirklich sein?

50 Panels beurteilen die Einreichungen der Älteren und weitere 50 Panels die Einreichungen der jüngeren Forscher. Insgesamt haben sie rund 1500 Mitglieder als internationale Gutachter. Keinesfalls geht es um Quoten. Auch sind es so viele Disziplinen, dass die meisten Gutachter einander nur vom Hörensagen kennen - es läuft also nicht auf der Basis von persönlichen Empfehlungen.

Wie viel bekommen die Gutachter bezahlt?

Sie bekommen das übliche Honorar der Kommission von 450 Euro pro Tag in Brüssel. Dafür müssen sie allerdings Vorarbeit leisten.

Wir viele Spitzenforscher gibt es in Europa?

Bei uns kommen im Durchschnitt 15 Prozent der Anträge durch. Wir wollen den Anteil aber erhöhen, da 20 Prozent der europäischen Forscher echte Spitzenforscher sind.

Wir tragen Sie zur Qualitätsverbesserung an österreichischen Unis bei?

Die Universität Wien, die bisher an die sieben, acht Stipendien von uns bekommen hat, nimmt sich das zum Ansporn. Das Rektorat ermutigt Nachwuchswissenschafter, einen ERC-Grant einzureichen. Österreich liegt gut im Mittelfeld bei den ERC-Stipendien, die als prestigeträchtig gelten.

Wie effektiv sind die heimischen Bemühungen um mehr Spitzenforschung?

Ich kann die Bemühungen nur unterstützen, aber generell fehlt es an Geld für den Universitätssektor. Einer der Gründe, warum die Schweiz hier viel erfolgreicher ist, ist weil sie sich international früher geöffnet hat. Österreich ist zu wenig wettbewerbsfähig, nicht weil die Einsicht fehlt, sondern weil das Geld fehlt. Internationale Forscher kommen, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen. Man muss die Möglichkeit haben, sich eine Gruppe aufzubauen, statt um jeden Posten kämpfen zu müssen.

Woran misst der ERC seine Erfolge?

Das sieht man anhand der Publikationen der Arbeiten. Weiters möchten wir unsere Bewertungskriterien in ganz Europa etablieren.

Zur Person

Die Wissenschaftstheoretikerin Helga Nowotny, geboren 1938 in Wien, studierte Soziologie an der Columbia University in New York. 1996 wurde sie Professorin für Wissenschaftsphilosophie an der ETH Zürich. Seit 2005 ist sie Vize-Präsidentin des höchsten Beratungsgremiums der EU-Kommission zur Forschung. Am Donnerstag wurde sie zur Präsidentin des Europäischen Forschungsrats gewählt.