EU gibt Zielmarke vor, die gemeinsam erreicht werden soll. | Nationale Beiträge sind noch unklar. | Keine Verfahren bei minimal zu hohem Budgetdefizit. | Brüssel. 200 Milliarden Euro sollen die schwächelnde Wirtschaft der EU wieder einrenken. Diesen Betrag hat die EU-Kommission gestern, Mittwoch, als Zielwert für den mit Spannung erwarteten Plan zur Konjunkturerholung beschlossen.
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Denn: "Wir befinden uns in einer außerordentlichen Krisensituation", sagte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Der EU drohe eine "tiefe und lange anhaltende Rezession", heißt es im Strategiepapier der Kommission.
"Teufelskreis brechen"
Die wirtschaftlichen Aussichten seien schlecht, die Finanzkrise noch nicht vorüber, meinte auch Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia. Um diesen "Teufelskreis" zu durchbrechen müssten die Nachfrage und die Investitionen angekurbelt und der Kreditkreislauf am Laufen gehalten werden.
Dabei gelte der Euro-Stabilitätspakt mit seiner magischen Grenze von maximal drei Prozent Haushaltsdefizit "selbstverständlich weiter." Er könne aber "flexibel" ausgelegt werden, sagte der Spanier. Von EU-Verfahren wegen eines übermäßig hohen Defizits könne abgesehen werden, wenn die Überschreitung lediglich "ein paar Dezimalstellen" betrage und nicht länger als ein Jahr dauere.
Bei dem angestrebten Betrag von 200 Milliarden Euro oder etwa 1,5 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung handle es sich um eine Größenordnung und kein mathematisch genaues Ziel, erklärte Barroso.
"Jeder maßgeschneidert"
170 Milliarden Euro sollen die Mitgliedsstaaten durch einen "sofortigen budgetären Impuls" zur Verfügung stellen. Diese zusätzlichen Staatsausgaben sollten möglichst auf 2009 und 2010 begrenzt werden. 30 Milliarden Euro kämen in etwa zu gleichen Teilen aus dem EU-Budget und von Krediten der Europäischen Investitionsbank EIB.
Die 170 Milliarden Euro entsprechen im Durchschnitt rund 1,2 Prozent des BIP der Mitgliedsstaaten. Allerdings heiße das nicht, dass jedes EU-Land ein Konjunkturpaket in der Höhe von 1,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung schnüren müsse, erklärte Barroso. Die wirtschaftliche Ausgangssituation der Mitgliedsstaaten sei schließlich sehr unterschiedlich. Jeder Staat müsse für sich maßgeschneiderte Maßnahmen ergreifen. Diese müssten jedoch koordiniert werden, um negative Effekte für andere Mitgliedsstaaten zu vermeiden. Die Kommission stelle lediglich einen "Werkzeugkasten" von möglichen Aktionen zur Auswahl.
Dazu gehören staatliche Investitionen in Infrastruktur und Umweltschutz, Erhöhung von Sozialhilfeleistungen oder eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer auf den Mindestsatz von 15 Prozent, wie es Großbritannien beschlossen hat.
Auf EU-Ebene soll es etwa vier Milliarden Euro an günstigen EIB-Krediten für die Entwicklung "grünerer Autos" und vorgezogene Investitionen in Breitbandinternet und Energienetzwerke geben.
Absegnen im Dezember
Den EU-Anteil will Barroso aus bereits nach Brüssel überwiesenen, aber nicht voll ausgenutzten Mitteln und vorgezogenen Auszahlungen zusammenstellen. Die Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament müssen diesen Maßnahmen noch zustimmen. Deutschland soll bereits Vorbehalte gegen solche Verschiebungen der EU-Mittel angekündigt haben.
Die Kommission und die Mitgliedsstaaten sollen dann gemeinsam dahinter sein, dass die 170 Milliarden Euro durch die nationalen Konjunkturpakete auch erreicht werden. Barroso zeigte sich zuversichtlich, dass "wir in einem Jahr sehr nahe an den 200 Milliarden Euro sein werden, wenn nicht darüber."
In Vorbesprechungen mit den größten Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien habe Einigkeit geherrscht, dass der Finanzimpuls zur Ankurbelung der Wirtschaft nicht unter einem Prozent des BIP liegen solle, erläuterte der Kommissionspräsident. Das hätte den ursprünglich ins Auge gefassten 130 Milliarden Euro entsprochen. 200 seien nur noch realistischer, meinte Barroso.
Das ganze Paket soll grundsätzlich von den EU-Staats- und Regierungschefs Mitte Dezember abgesegnet werden. Dann wäre es auch politisch verbindlich. Bis dahin könnten auch schon die nötigen nationalen Beiträge klarer umrissen sein. Dass Deutschland sein 50-Milliarden-Konjunkturprogramm angerechnet bekommt, deutete der Kommissionspräsident bereits an.