Um das Jahr 105 schöpfte der Chinese Tsai Lun erstmals Papier, wie wir es heute kennen. Seit damals hat sich an den Grundlagen der Herstellung kaum etwas verändert.
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Man nehme mehrere dünne Baumstämme, entrinde das Holz und zerkleinere es zu Sägespänen. Diese koche man in einem Wasser-Säure-Bad, bis ein Faserbrei daraus entstanden ist: die sogenannte Pulpe. Alternativ kann man auch eine alte Zeitung in kleine Fitzelchen zerreißen und in Wasser auflösen. Diesen Brei püriere man dann, bis er cremig ist und man ihn mit einem Gitterrahmen abschöpfen kann. Wenn das Wasser abgetropft ist, stürze man den angetrockneten Brei auf ein Vliestuch und tupfe ihn vorsichtig ab, ehe man ein zweites Tuch darüber breite und mit einem Nudelholz das restliche Wasser auspresse, bevor man das frische Papier zum Trocknen aufhänge. Zum Schluss kann man es durch sanftes Bügeln oder mit Gelatine noch glätten. Wer es gern bunter mag, braucht einfach nur vorher die Pulpe einzufärben.
So macht man daheim sein eigenes Papier. Und so ähnlich soll es schon der chinesische Kaiserhofbeamte Tsai Lun um das Jahr 105 bewerkstelligt haben, wobei die ersten Papierfunde aus China aus dem Jahr 200 vor Christus stammen dürften (den bis zu 3000 Jahre älteren Papyrus der alten Ägypter lassen wir hier einmal außer Acht). Seither hat sich im Grunde nicht viel verändert. Auch die heutige Papierherstellung basiert auf der Technik der Chinesen, freilich in größeren Dimensionen und mit mehr Technologie und Chemie, um unseren Bedarf – im Schnitt 250 Kilo Papier pro Kopf und Jahr – zu decken.
Die Chinesen hatten zuvor übrigens einen papierartigen Stoff aus Seidenabfällen hergestellt, den sie aus Hanf, alten Lumpen und Fischnetzen mischten und mit Baumrinde oder Maulbeerbaumbast (ein Abfallprodukt bei der Seidenraupenhaltung auf Maulbeerbäumen) ergänzten. Da Bast sehr lange Fasern hat, war dieses Papier besonders haltbar und wurde auch für Raumdekorationen und sogar für Kleidungsstücke verwendet. Bereits im 2. Jahrhundert gab es in China Papiertaschentücher, und ab dem 5. Jahrhundert wurde in Peking Toilettenpapier aus billigstem Reisstrohpapier in rauen Mengen hergestellt, die Rede ist von zehn Millionen Päckchen mit 1000 bis 10.000 Blatt pro Jahr. Es sollte noch bis zum 12. Jahrhundert dauern, ehe die Kulturtechnik der Papierherstellung über Arabien bis nach Europa gelangte. Rund 650 Jahre lang wurde hier das Papier manuell hergestellt. 1799 erhielt der Franzose Nicolas Louis Robert ein Patent auf eine Langsiebpapiermaschine: Mit einer hölzernen Waschbütte konnte er Papier in Längen von 12 bis 15 Metern schöpfen.
Fortschrittsschub nach 100 Jahren
Seit dem Jahr 1700 wird auch im steirischen Pöls Papier hergestellt, die erste kontinuierliche Papiermaschine wurde dort 1912 installiert. Die Heinzel Group produziert am Standort mittlerweile mit 365 Beschäftigten jährlich 13.000 Tonnen Kraft-Papier und 360.000 Tonnen Kraft-Zellstoff. Damit ist die Zellstoff Pöls AG mit ihrer Papiermarke Starkraft laut eigenen Angaben der größte Hersteller von hochwertigem, elementar chlorfrei gebleichtem Langfaser-Sulfatzellstoff in Mittel- und Südosteuropa. Daraus werden in weiterer Folge Papiersackerln, Tragetaschen, Geschenkpapier, Lebensmittelverpackungen oder medizinische Produkte hergestellt. Und schon bald wird die Kapazität massiv erhöht: Um 115 Millionen Euro wird derzeit auf 10.000 Quadratmetern umbauter Fläche (inklusive Fertigwarenlager) die größte und modernste Kraft-Papiermaschine Europas errichtet, die dann jährlich 80.000 Tonnen hochwertiges Spezialverpackungspapier herstellen soll. "Wir ist fast fertig, ab Oktober wollen wir produzieren", berichtet Alfred Heinzel, Chef der Heinzel Group, dem "Wiener Journal". Die beeindruckenden Eckdaten der neuen Maschine: 100 Meter Länge, 6,15 Meter Siebbreite und 5,4 Meter Netto-Papierbreite, und das bei einer Produktionsgeschwindigkeit von 1000 Metern Papier pro Minute (bei einem Papiergewicht von 28 Gramm pro Quadratmeter – das entspricht etwa einer Lage Klopapier; übliche Medikamente-Beipackzettel haben 40 Gramm, Druckerpapier hat 80 Gramm).
Es geht aber noch viel größer: "Ich habe eine gigantische Anlage in China besucht, die erzeugt 1,5 Millionen Tonnen Papier im Jahr, mit einer Arbeitsbreite von 12 Metern und einer Arbeitsgeschwindigkeit von 1800 Metern pro Minute", erzählt Alfred Heinzel, dessen Heinzel Group hauptsächlich ein internationaler Großhändler ist: In Summe verkauft sie jährlich 3 Millionen Tonnen Papier, davon werden 1,2 Millionen Tonnen selbst erzeugt. Zum Konzern gehört auch die Europapier, der führende Papierlieferant Mittel- und Osteuropas. Und die Gruppe hat sowohl die Papierfabrik Laakirchen in Oberösterreich, die mit mehr als 500 Mitarbeitern jährlich 540.000 Kraft-Papier produziert, als auch Bunzl & Biach, einen der größten Altpapierentsorger und -großhändler in Zentral- und Osteuropa, zurückgekauft. Für den Chef war das auch eine emotionale Angelegenheit, hatte doch sein Onkel Wilfried Heinzel den von ihm aufgebauten Papierkonzern, zu dem beide gehörten, vor 25 Jahren an die schwedische SCA verkauft. "Er hat mich damals mitverkauft", meinte Alfred Heinzel kurz nach der Übernahme zu Jahresbeginn. Nach mehreren ausländischen Übernahmen in der österreichischen Papierindustrie gibt es jetzt also wieder eine Wende.
Die endliche Ressource Wald
Insgesamt gibt es in Österreich rund zwei Dutzend Betriebe in der Sparte Holz-/Zellstoff, Papier und Karton, mit einer wirtschaftlichen Gesamtproduktion von rund vier Milliarden Euro und einem Energieeinsatz von rund 400 Millionen Euro, was laut Austropapier bei rund fünf Milliarden Kilowattstunden knapp einem Zehntel des Gesamtverbrauchs der heimischen Industrie und acht Prozent des österreichischen Gesamtstromverbrauchs entspricht. Die Vereinigung der Österreichischen Papierindustrie betont aber, dass sie "kein Energiefresser, sondern beinahe energieautark" sei. Der Großteil der benötigten Energie werde von den Papierfabriken selbst erzeugt, hauptsächlich durch sogenannte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK).
Die Papierindustrie betont auch immer wieder gerne, wie gering mittlerweile die Umweltbelastung durch die Produktion sei. Das gesteht ihr auch Kampagnenleiter Herwig Schuster von der Umweltschutzorganisation Greenpeace zu: "Ja, die Papierindustrie hat schon sehr viel Umweltbelastung reduziert, und auch bei Wasserschutz, Luft- und Lärmemissionen liegen wir im internationalen Vergleich sehr gut." Einen Kritikpunkt sieht er aber doch: "Die CO2-Emissionen der Papierindustrie betragen an die zwei Millionen Tonnen, das sind 10 Prozent der gesamten österreichischen Industrie, damit ist sie ein relevanter Emittent. Und bei der Anrechnung von Biomasse als CO2-neutrale Energiequelle stoßen wir bald an die Grenzen des Machbaren. Der Wald ist schließlich eine endliche Ressource, da ist kaum mehr Potenzial vorhanden."
Alfred Heinzel ist trotzdem optimistisch: "Wir haben bei der Nachhaltigkeit geschätzte 90 Prozent erreicht. Die letzten 10 Prozent werden wir sicher in den nächsten Jahren auch noch schaffen." Er ergänzt aber, dass weitere Verbesserungen immer schwieriger und teurer werden, "je höher man an der Spitze steht". Und natürlich sieht er bei der Papierindustrie eine große Angriffsfläche, was die Umweltbelastung betrifft: hoher Energieaufwand, großer Holzverbrauch. "Was aber viele nicht wissen: Der ökologische Fußabdruck von einem gedruckten Blatt A4-Papier ist schon jetzt kleiner als von einem digitalen A4-Blatt. Dies den Menschen näherzubringen ist aber schwierig, weil unser Image derzeit nicht sehr sexy ist."
Ärger über das Ökostromgesetz
Das könnte auch am handfesten Streit um die Biomasse liegen, der in jüngster Vergangenheit medial ausgetragen wurde. Denn auch wenn in Österreich der Anteil des Recyclingpapiers bereits 66 Prozent beträgt, was eine europaweit sehr hohe Quote ist, geht es doch nicht ohne Frischholz. Und auf diese endliche Ressource greifen auch die Biomassekraftwerke zu. Hier gibt es laut Herwig Schuster zwar derzeit noch mehr Nachwuchs als Entnahme, "aber die Grenzen sind bald erreicht". Schon jetzt werden acht Millionen Kubikmeter Holz pro Jahr importiert, eine Million Kubikmeter werden exportiert. Die Holzindustrie ist übrigens die größte Industrie in Österreich, noch größer als die Metallindustrie.
Es geht aber nicht nur darum, ob man einander das Holz wegnimmt, sondern die Papierindustrie fühlt sich vor allem durch das Ökostromgesetz massiv benachteiligt, wie Alfred Heinzel erklärt. "Biomasse an sich ist eine gute Idee, wir selbst sind ja auch ein riesengroßer Verarbeiter von Biomasse für die Papiererzeugung. Aber es ist nicht einzusehen, dass ineffiziente Biomasseanlagen mit einem Wirkungsgrad von 30 Prozent gefördert werden, KWK-Anlagen mit 90 Prozent Wirkungsgrad aber nicht. Oder dass in Wien sogar fossile Gaskraftwerke über das Ökostromgesetz gefördert werden, während wir keine Förderung bekommen, obwohl wir Biomasse verbrennen." Er fordert deshalb eine dringende Gesetzesänderung. Vor allem, weil "die im Gesetz vorgesehene kaskadische Nutzung nicht funktioniert". Denn theoretisch gäbe es genug Holz, meint der Papierindustrielle, aber dessen Bereitstellung sei sehr aufwendig und teuer. "Es entsteht eine Verknappung, die Preise steigen, darunter leiden wieder die Industrie und der Handel – und im Endeffekt die Verbraucher."
Die Grenzen des Recyclings
Recycling ist hier jedenfalls nur ein Teil der Lösung. Denn ein Blatt Papier kann nur maximal siebenmal wiederverwertet werden. Generell funktioniert das Recycling in Österreich aber schon sehr gut, meint nicht nur Alfred Heinzel, dessen Gruppe mit 600.000 Tonnen Altpapier pro Jahr handelt, sondern auch Greenpeace-Kampagnenleiter Herwig Schuster, der naturgemäß eine klare Empfehlung für Recyclingpapier ausspricht, zumal sich dieses dank Bleichmitteln heute kaum noch farblich von frischem Papier unterscheidet. Zwar ist die Sammel- und Sortiertätigkeit in Ballungsräumen einfacher als im ländlichen Raum, trotzdem wären die Sammelquoten vor allem im städtischen Bereich noch verbesserungswürdig. Was in diesem Zusammenhang schon mehrfach festgestellt wurde: Je höher das Bildungsniveau, desto höher ist auch der Sortiergrad im Haushalt. "Und wenn Restmüll im Papier oder Plastik im Metall landet, nimmt natürlich die Qualität der Sortierung ab", sagt Alfred Heinzel. Gleichzeitig wird zwar das Recycling von Papier und Kunststoff laufend verbessert. "Aber das geht natürlich mit einem immer höheren technischen und finanziellen Aufwand einher." Er würde sich wünschen, "dass man schon beim Müllaufkommen ansetzt und mehr Aufklärungsarbeit in den Haushalten betreibt". Herwig Schuster nimmt allerdings auch die Öffentliche Hand in die Pflicht: "Natürlich liegt es auch an den Menschen, dass etwa Wien beim Recycling hinter Vorarlberg oder Kärnten nachhinkt, aber es könnte auch die MA48 mehr Papierabfallbehälter im öffentlichen Raum aufhängen."
Wer als Konsument einen Beitrag zum Umweltschutz leisten will, kann dies auch beim Papierverbrauch tun. Und zwar nicht nur quantitativ – etwa durch den Verzicht auf Werbefolder –, sondern auch qualitativ. Der Greenpeace-Kampagnenleiter empfiehlt hier, darauf zu achten, wo das Papier herkommt, das man kauft. "Mit Einschränkungen ist Papier mit dem FSC-Zertifikat zu nachhaltiger Forstwirtschaft okay, hier kommt es allerdings auf die Herkunft von Holz und Papier an. Bei Produkten aus Südafrika gibt es zum Beispiel Lücken in der Kontrolle." Ein weiteres Zertifikat ist das PEFC-Siegel. Bei genauerer Betrachtung wirkt dies allerdings ein bisschen eine Augenauswischerei, denn laut Herwig Schuster "geht das PEFC-Papier nicht über den üblichen Standard hinaus, in Öster-reich ist der ganze Wald PEFC-zertifiziert". Trotzdem ist Papier aus österreichischem Holz eindeutig importierten Produkten vorzuziehen. Denn in denen steckt mitunter auch Urwaldholz aus Russland oder Rumänien.
Print-Artikel erschienen am 26. Juli 2013 in: "Wiener Zeitung",
Beilage "Wiener Journal", S. 4-8