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2001: Europa im Bann der Seuche

Von Ronald Schönhuber

Europaarchiv

Nach England und Frankreich erreichte MKS die Niederlande. | 6 Millionen Tiere in Großbritannien notgeschlachtet. | Brennende Kadaverberge im TV. | Wien/London/Paris. Es dauerte nicht lange, bis Brentwood von den britischen Medien nur noch als "Pestdorf" bezeichnet wurde. Durch Sperrgebiete von der Außenwelt abgeschottet und ohne Menschen, da seine Bewohner sich aus Angst vor Ansteckung nicht mehr trauten, ihre Höfe zu verlassen. Wenige Tage zuvor, am 19. Februar 2001, waren auf einem Hof in der kleinen Ortschaft in Essex 27 an Maul- und Klauenseuche (MKS) erkrankte Schweine entdeckt worden.


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Dem ersten Auftreten der Krankheit in England seit 20 Jahren folgte eine der folgenschwersten Epidemien, die schließlich nicht nur die britischen Inseln, sondern ganz Europa in Mitleidenschaft zog.

Trotz eines sofort verhängten Exportverbots, umfassender Sicherheitsvorkehrungen und eines rigiden Notschlachtungs-Programms breitete sich die Seuche mit atemberaubender Geschwindigkeit im BSE-gebeutelten Königreich aus und erreichte am 13. März Frankreich und damit Kontinentaleuropa. Zu diesem Zeitpunkt waren in Großbritannien bereits 164 Bauernhöfe betroffen, weite Teile des Landes standen de facto unter Quarantäne. Die Briefträger brachten die Post nur noch ans Hoftor, hunderte Soldaten überwachten die Seuchen-Sperren. Auf den Viehmärkten begann der Preis für Rinder, Schafe und Schweine unterdessen mit seiner Talfahrt ins Bodenlose.

Farmer bankrott

Eine Woche nach dem Ausbruch in Frankreich bestätigte sich schließlich der erste Verdachtsfall in den Niederlanden. In Österreich, das von der Krankheit verschont wurde, waren an den Grenzübergängen und auf den Flughäfen vorsorglich Seuchenteppiche verlegt worden.

Über die Fernsehbildschirme flimmerten in diesen Tagen zumeist die ewig gleichen und doch stets aufs Neue erschreckenden Bilder: Meterhohe Berge von toten Schafen, Kühen, Schweinen, die in Brand gesetzt wurden, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. In den am stärksten betroffenen Gebieten wurden alle Klauentiere im Umkreis von drei Kilometern zu einem infizierten Hof gekeult - egal ob sie krank waren oder nicht.

Erst im Jänner 2002, also elf Monate nach Ausbruch der Maul- und Klauenseuche wurde Großbritannien, das mit Abstand am schwersten in Mitleidenschaft gezogen wurde, als seuchenfrei erklärt. Bis zum Ende der Epidemie wurden auf den britischen Inseln mehr als sechs Millionen Schafe, Rinder und Schweine notgeschlachtet. Rund 9000 Bauernhöfe waren dort am Höhepunkt der Seuche betroffen. Der finanzielle Schaden belief sich allein für die britischen Bauern auf rund 5,6 Milliarden Euro. Hunderte Farmer gingen bankrott, auch später gezahlte Entschädigungen konnten daran nichts mehr ändern. Die Einbußen für die britische Tourismuswirtschaft lagen bei rund 3,2 Milliarden Euro.

Enormer Schaden

In Frankreich, Irland und den Niederlanden konnte das Virus zwar wesentlich früher als in Großbritannien gebremst werden, der finanzielle Schaden war aber auch hier enorm. Allein in den Niederlanden verursachte die Seuche Kosten von 900 Millionen Euro. Im EU-Haushalt schlug sich die Seuchenbekämpfung mit 500 bis 700 Millionen Euro zu Buche. Durch den umstrittenen Verzicht auf MKS-Impfungen (siehe Kasten rechts) konnte jedoch über eine Milliarde Euro einspart werden.