Grüne setzten auf Steuerreform jetzt. | "Politik machtlos beim Benzinpreis". | Faymanns Programm? "Keine Ahnung". | "Wiener Zeitung": Sind die Energiebatterien für den Wahlkampf aufgeladen?
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Alexander Van der Bellen: Ja, ich war jetzt zehn Tage in Tirol, das Wetter war aber solala.
Das LIF tritt mit Heide Schmidt an. Das schaut nach einem Frontalangriff auf grüne Stammwähler aus.
Sicher nicht. Das LIF hat 2002 zum letzten Mal kandidiert und dabei ein Prozent der Stimmen erreicht. Es gibt zwar sicher inhaltliche Überschneidungen, aber die sozialliberalen Wähler sind bei uns gut aufgehoben und Wirtschaftsliberale gibt es in Österreich ohnehin kaum.
Was unterscheidet überhaupt die Grünen vom LIF?
Es stimmt schon, dass es viele Übereinstimmungen gibt, allerdings halte ich es für problematisch, dass das LIF von einem einzigen - wenngleich von mir hochgeschätzten - Bauunternehmer finanziell abhängig ist. Das wäre so, als würde die ÖVP nur von Raiffeisen finanziert werden.
Das Sommerloch wird heuer mit Vorschlägen gegen die Teuerung gefüllt. Wie schauen die grünen Rezepte aus?
Wir fordern eine sofortige Steuerreform im Umfang von 3,5 Milliarden Euro. Davon sollen 2,5 Milliarden auf die Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen entfallen und eine Milliarde auf die unteren Einkommensschichten, die keine Lohn- oder Einkommensteuer zahlen. Bei letzteren soll dies über eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge erfolgen. Im Durchschnitt entspricht das einer Entlastung von 720 Euro für die erste und 660 Euro für die zweite Gruppe. Die Entlastung könnte auch größer ausfallen, wenn sich ein Partner findet, der die notwendige Gegenfinanzierung höher ansetzt. Die soll über die Anhebung von Vermögens- und Wiedereinführung der Erbschaftssteuer geschehen.
Stichwort Sozialversicherung: Denken Sie auch an eine Anhebung der Höchstbemessungsgrundlage?
Das muss man sich genau ansehen, vorstellbar ist für mich aber eine mäßige Anhebung aufgrund des Finanzdrucks im Gesundheitswesen.
Alle Welt jammert über die hohen Treibstoffpreise - und dennoch ist es am Wochenende wieder zu Rekordstaus gekommen. Die Leute scheinen es sich leisten zu wollen, mit dem Auto zu fahren.
Man muss schon Masochist sein, um ausgerechnet an diesen Wochenenden, wo in einigen deutschen Ländern Ferienstart ist, auf die Tauernautobahn zu fahren. Grundsätzlich muss allen klar sein, dass der Benzinpreis hoch ist und auch nicht wieder sinken wird, sieht man von kurzfristigen Schwankungen ab. Deshalb ist das Umsteigen auf verbrauchsgünstigere Autos und den öffentlichen Verkehr das einzig Vernünftige. Das gilt es zu fördern.
Die Politik sollte beim Benzinpreis gar nichts machen?
Ich wüsste jedenfalls nicht was. Eine Senkung der Mineralölsteuer würde lediglich die Gewinne der Ölmultis und Scheichs steigern.
Theresia Haidlmayr, Behindertensprecherin der Grünen, scheidet im Groll. Man habe sie anonym zum Verzicht gezwungen. Wen könnte sie damit gemeint haben?
Ich weiß es nicht. Haidlmayr und ich sind 1994 gleichzeitig in den Nationalrat eingezogen. Sie kennt die Spielregeln bei den Grünen: Jeder, der antreten will, muss sich bewerben. Auch sie hätte die Möglichkeit dazu gehabt, aber eben mit dem Risiko, nicht gewählt zu werden.
Trotzdem ein schwerer Vorwurf.
Zum Verzicht kann man bei den Grünen niemanden zwingen. Theresia wurde, so wie andere auch, gefragt, ob sie noch einmal antreten wolle. Das könnte sie in die falsche Kehle gekriegt haben.
SPÖ und ÖVP sind beide potenzielle Koalitionspartner der Grünen. Sehen Sie beim neuen starken Mann der SPÖ, Werner Faymann, eine politische Vision?
Nicht wirklich. Positiv ist, dass er es vermeidet, im Wahlkampf das Rote vom blauen Himmel zu versprechen. Worin aber wirklich sein Programm besteht? Ich habe keine Ahnung. Nur mit "Krone" und "Österreich" - das wird auf Dauer wohl zu wenig sein. Vor allem sein Kotau vor Hans Dichand in der EU-Frage war für mich völlig unverständlich. Jetzt stellt sich eine Frage: Was ist, wenn Hans Dichand sich wieder etwas wünscht? Ändert dann auch Faymann wieder seine Meinung? Dieses Fragezeichen gilt insbesondere für seine Absage an die FPÖ.
Und bei der ÖVP: Hat Wilhelm Molterer eine Vision?
Seine letzten Vorschläge, etwa die Ausbezahlung einer 13. Familienbeihilfe, machen Sinn. Auch ein verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr begrüße ich, das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und ein erstaunliches Umdenken in der ÖVP. In Energiefragen, bei der Förderung von Alternativenergien, ist Wirtschaftsminister Bartenstein säumig - und damit auch Molterer.
In ÖVP-Kreisen wird mitunter laut über die Möglichkeit nachgedacht, in der Intensivphase des Wahlkampfs Schwarz-Grün offensiv zu propagieren. Können Sie sich das vorstellen?
Ich weiß, dass solche Ideen herumgeistern. Das würde jedoch voraussetzen, dass wir über ein ausverhandeltes Regierungsprogramm verfügen. Davon kann keine Rede sein.
Das war jetzt weder ein Ja noch ein Nein.
Ich kann und will Schwarz-Grün ebensowenig wie Rot-Grün ausschließen.
Die Wähler wüssten zumindest, welche Koalition sie wählen, wenn sie ÖVP oder Grünen die Stimme geben.
2003 war es jedenfalls die ÖVP, die uns Grüne hängengelassen hat. Das wäre eine schöne Gelegenheit gewesen für Schwarz-Grün. Jetzt werde die Karten neu gemischt. Ich hoffe, dass die Grünen sich im Wahlkampf als innovative, erneuernde Kraft präsentieren können.