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2013 beats 1984? Ein datenschutzrechtlicher Ausblick

Von Mathias Preuschl

Wirtschaft

Verträgt sich die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit den Grundrechten? Der EuGH muss über diese Frage entscheiden.


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Die Republik Österreich hat mit April 2012 die EU-Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie) umgesetzt und die Vorratsdatenspeicherung durch eine Novelle des Telekommunikationsgesetztes (TKG 2003) eingeführt. Der neue § 102a des TKG 2003 hat - nicht ganz frei von Zynismus - unter der Überschrift "Kommunikationsgeheimnis, Datenschutz" nun seit einem dreiviertel Jahr ebenjenes "Kommunikationsgeheimnis" in weiten Teilen unseres täglichen Lebens abgeschafft.

Egal, ob allgemeine Internetnutzung, E-Mail, SMS oder Sprachtelefonie: Die Teilnehmer- und Verbindungsdaten - nicht jedoch der Inhalt - werden aufgezeichnet und von den österreichischen Kommunikationsdienstleistern für ein halbes Jahr aufbewahrt. Eine Weitergabe erfolgt, falls eine Sicherheitsbehörde diese Daten zur Verbrechensbekämpfung oder Verbrechensverhinderung benötigt.

Zur Terrorismusbekämpfung ungeeignet

Dass derartige Maßnahmen überhaupt dem deklarierten Ziel der Vorratsdatenspeicherung, nämlich der Terrorismusbekämpfung, dienen, ist in Expertenkreisen durchaus umstritten. Terrororganisationen wie Al-Kaida bedienen sich nämlich zunehmend Datenübermittlungswege, die mittels Vorratsdatenspeicherung nicht erfasst werden können. Dazu gehören etwa entweder, archaisch aber bewährt, die Nachrichtenübermittlung via menschlichen und daher unkontrollierten Boten oder, neu und zeitgemäß, "Cloud Computing"-Lösungen. Letztere schlagen der Vorratsdatenspeicherung insofern ein Schnippchen, als hier lediglich die Dauer der Webnutzung und eine IP-Adresse aufgezeichnet werden, aber keinerlei Rückschlüsse auf Aktionen der Nutzer gezogen werden können.

Vorratsdatenspeicherung versus Grundrechte

Doch nicht nur die Sinnhaftigkeit der EU-Richtlinie 2006/24/EG ist zweifelhaft, sondern auch ihrer Verträglichkeit mit den Grundrechten. Diese Bedenken teilend, zweifelte letztendlich der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einer Entscheidung vom 28. November 2012 ebenso an der Eignung und damit an der Verhältnismäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung. Auch die "Streubreite" des Eingriffs in die Grundrechte übertrifft nach seiner Ansicht massiv die bisher beurteilten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz. Entsprechend legte jetzt das österreichische Höchstgericht die Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie zur Auslegung ihrer Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Art. 8 Grundrechte-Charta dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorab-

entscheidung vor.

Dieser hat das weitere Vorratsdaten-
Schicksal in der Hand und läutet vielleicht 2013 endlich das Ende des Orwellschen Jahres 1984 ein.

Mathias Preuschl ist Partner bei PHHV Rechtsanwälte und Mitglied der IT-Arbeitskreise sowohl des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages als auch des Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE).