EZB-Chef Draghi: Positive Signale der Märkte, dennoch Erholung nur zögerlich.
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Frankfurt. "Nein, wir denken nicht über den Ausstieg aus unseren außerordentlichen Maßnahmen nach", sagte Mario Draghi am Donnerstag. Und: "Es ist zu früh, einen Erfolg auszurufen." Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt also auf unbestimmte Zeit im Krisenmodus. Die Aussage aus dem Munde des Italieners ist nicht ungewöhnlich. Keinem der Journalisten im Saal lag eine Nachfrage auf der Zunge. Dennoch: Der Kontrast zu seinem Vorgänger könnte kaum größer sein: Der Franzose Jean-Claude Trichet hatte die EZB-Sondermaßnahmen nie erwähnt, ohne das Wörtchen "temporär" nachzuschieben.
Für ein neues europäisches Rekordtief bei den Leitzinsen sehen die Euro-Notenbanker derzeit allerdings keine Veranlassung. Die Entscheidung des 23-köpfigen EZB-Rates, den Referenzzinssatz unverändert bei 0,75 Prozent zu belassen, sei einstimmig gefallen, sagte Draghi und dämpfte damit Spekulationen über eine bevorstehende Zinssenkung.
EZB-Bilanz schrumpft etwas
Als Begründung schob er nach, dass sich die Situation insbesondere auf den Finanzmärkten aufgehellt habe. Das lasse sich an einer Latte von Indikatoren ablesen: Die Anleihenzinsen und Risikoprämien für Staatsanleihen seien signifikant gesunken. Die Börsenkurse hätten angezogen. Die Kapitalströme hätten sich umgekehrt - es gebe mittlerweile starke Zuflüsse in die Eurozone.
Die Abhängigkeit der Banken vom Zentralbankgeld sei spürbar gesunken, zudem hätten die Spareinlagen in den Krisenländern der Europeripherie zugenommen, sagte Draghi. Die sogenannten Target2-Salden, also Ungleichgewichte in der Bilanzverrechnung der Euro-Nationalbanken untereinander, die aus dem Ruder gelaufen sind und vor allem in Deutschland für große Bedenken sorgen, schrumpfen allmählich wieder. Und auch die Bilanzsumme der Europäischen Zentralbank selbst sinke, betonte Draghi.
Dazu passt, dass die Euro-Wackelkandidaten Spanien und Italien am Donnerstag ohne Probleme und zu guten Konditionen Staatsanleihen verkaufen konnten.
Die Fragmentierung der Eurozone nimmt also ab - allerdings ist die Verbesserung noch nicht in der Realwirtschaft angekommen: Draghi erwartet erst für die zweite Hälfte 2013 eine graduelle Erholung der Wirtschaft. Trotz der hohen Arbeitslosigkeit und schwachen Konjunktur sieht er keine Alternative zum Spar- und Reformkurs vieler Regierungen: "Jetzt, wo so viele Fortschritte gemacht und so viele Opfer gebracht wurden, soll man zu einer Situation zurückkehren, die nicht mehr länger tragbar war?"
Soziale Risiken nehmen zu
2013 könnte das Jahr der Wende in der Eurokrise markieren - so heißt es auch in einem Bericht, den Standard & Poor´s (S&P) am Donnerstag veröffentlicht hat. Die Ratingagentur schlägt darin einen erstaunlich versöhnlichen Ton gegenüber dem Euro an. Immerhin hatten die US-Bonitätswächter seit Anfang der Krise 12 von 17 Euroländern mit Ratingabstufungen bestraft. Frankreich und Österreich wurde nach mehr als drei Jahrzehnten die Bestnote (das Triple-A) aberkannt.
Die EU-Politiker hätten zumindest die Basis für eine graduelle Erholung gelegt, sodass die Region 2013 die Unsicherheit, die großen Marktschwankungen und die Fragmentierung hinter sich lassen könnte. Dazu müsse der Kurs allerdings strikt fortgesetzt werden - 13 Euroländer haben weiterhin einen negativen S&P-Ausblick, der die Möglichkeit weiterer Abstufungen andeutet. Mit der steigenden Arbeitslosigkeit gingen soziale und politische Risiken einher, für welche Europas Politiker Antworten finden müssten. Dann könnte die Staatsschuldenkrise ihren Boden erreicht haben, schreibt S&P.
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