Bizarrer Prozess gegen gefangene ukrainische Kampfpilotin ging in Südrussland zu Ende.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Donezk (Russland). Auf den Schuldspruch antwortete Nadja Sawtschenko mit einem ukrainischen Volkslied. "Oh meine Richter, meine Richter! Zwei Jahre habt ihr mich gerichtet", sang sie leicht abgewandelt eine Maidan-Hymne. Die ukrainische Kampfpilotin ist gestern, Dienstag, in einem umstrittenen Mordprozess in Südrussland zu 22 Jahren Haft verurteilt worden - um ein Jahr weniger als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Eine harte Haftstrafe war erwartet worden.
Sawtschenko wurde der Beihilfe zum Mord an zwei russischen Journalisten im Sommer 2014 und eines illegalen Grenzübertritts nach Russland für schuldig befunden. Aus ukrainischer und westlicher Sicht wird Sawtschenko jedoch illegal in Russland festgehalten. Die Verteidigung brachte Mobilfunkdaten vor, wonach Sawtschenko zum Zeitpunkt des Todes der Journalisten bereits von Separatisten gefangen genommen worden sei. Diese Version stützte zuletzt auch ein pro-russischer Separatistenführer. Der Richter lehnte das als "haltlos" ab. Sawtschenko wird das Urteil nicht anfechten, die Ukraine erkannte den Richterspruch aber nicht an.
Der letzte Tag endete mit bizarren Szenen in diesem an bizarren Szenen so reichen Prozess. Während sich Sawtschenko bester Laune zeigte, twitterten und lasen ihre Anwälte in demonstrativer Teilnahmslosigkeit. Mit einem fast zwölfstündigen Monolog des Richters hatte sich die Urteilsverkündung über zwei Tage gezogen. Sawtschenko habe sich so dreist aufgeführt "wie eine typische Banderowka", so der Richter - eine abwertende Bezeichnung für ukrainische Nationalisten, die auf den umstrittenen westukrainischen Partisanenführer Stepan Bandera anspielt. Dabei hielt Sawtschenko die Hände zum Himmel, wie zum Triumph. Das Gelächter im Saal quittierte der Richter mit der Warnung: Wer das lustig findet, den entferne ich aus dem Saal." "Ich finde das lustig", antwortete Sawtschenko trotzig.
Hoffnung auf einen Deal
Das letzte Wort in der Sache ist aber noch nicht gesprochen. Diese Woche ist in Moskau ein Treffen zwischen US-Außenminister John Kerry und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geplant. "Die Frage Sawtschenko wird ein Schlüsselthema sein", so Anwalt Nikolaj Polosow. Die Angehörigen von Sawtschenko hoffen nun auf einen Gefangenenaustausch.