Mit JVP-Chef Kurz wird Jungpolitiker Staatssekretär für Integration. | Migranten bei Bildung und Arbeit im Hintertreffen. | Wien. Damit hat wohl niemand so wirklich gerechnet. Die Volkspartei richtet nun tatsächlich ein eigenes Integrationsstaatssekretariat ein. Allerdings kein wirklich ernstzunehmendes. Mit dem Obmann der Jungen ÖVP, Sebastian Kurz, wird das Amt zwar mit einem jugendlichen Hoffnungsträger der Partei, gleichzeitig aber auch mit einem unerfahrenen Politiker besetzt.
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Der erst 24-jährige Jusstudent hat bisher eine steile Karriere hingelegt: Im Jahr 2009 löste er Silvia Fuhrmann an der Spitze der JVP ab, bei der Wien-Wahl im Herbst 2010 kandidierte Kurz auf Platz drei der Landesliste, was ihm einen Sitz im Gemeinderat einbrachte. Im Wahlkampf nahm Kurz Landesparteichefin Christine Marek als deren Stellvetreter das Islam-Thema ab und wurde als "Kampfansage an die Sprücheklopfer von Rechts" positioniert. Dem Vorwurf des Stimmenfangs im rechten Lager musste sich Kurz dann aber selbst stellen: So forderte er, dass Predigten in Moscheen auf Deutsch stattfinden und dass nur österreichische Imame dort tätig sein sollen.
Jungpolitiker wirdsich beweisen müssen
Kurz wird sich nun abseits der politischen Schlagwörter beweisen müssen. Denn das Thema Integration ist wohl eine der größten Zukunftsaufgaben des Landes: Rund 17,8 Prozent der Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund, sind also entweder im Ausland geboren oder haben Eltern mit nicht-österreichischem Geburtsort. Die Aufgaben für einen Staatssekretär sind vielfältig.
So haben Jugendliche mit Migrationshintergrund einen massiven Startnachteil in Sachen Bildung und Arbeitsmarkt: Rund 15 Prozent verlassen die Hauptschule ohne weiterführenden Bildungsabschluss. Junge Migranten sind häufiger arbeitslos als Autochthone, insgesamt ist die Arbeitslosenquote bei ausländischen Staatsbürgern mehr als doppelt so hoch als bei "Einheimischen". Dementsprechend hoch ist die Armutsgefährdung ausländischer Staatsbürger: Sie sind laut einer EU-Studie mehr als doppelt so oft von Armut bedroht wie Österreicher und leben drei Mal so häufig in manifester Armut.
Dazu kommt noch, dass Migranten in vielen Bereichen der Gesellschaft unterrepräsentiert sind - und kaum Unterstützung erfahren. Auch das beginnt bereits in der Schule: 18 Prozent der Schüler quer durch alle Schulformen haben eine andere Erstsprache als Deutsch, allerdings unterrichten nur 0,3 Prozent der Lehrenden in der Muttersprache. Und das, obwohl sich die Experten darin einig sind, dass eine Alphabetisierung in der Erstsprache den Deutscherwerb erleichtert. Dass dies bisher politisch nicht gewünscht war, zeigt die Debatte um Türkisch als Maturafach, das nicht nur von der scheidenden Innenministerin Maria Fekter abgelehnt wurde.
Viele und große Baustellen also für einen unerfahrenen Politiker. Aber Kurz kann auf Vorarbeiten zurückgreifen. Nach der erfolglosen Integrationsplattform von Fekters Amtsvorgänger Günther Platter wurde 2010 ein Nationaler Aktionsplan für Integration beschlossen. Das allgemein gehaltene Papier soll durch einen Expertenrat mit Leben erfüllt werden.
Kritik von Grünen und auf Facebook
Nicht nur für Grünen-Chefin Eva Glawischnig ist die Besetzung des Staatssekretariats mit einem unerfahrenen Jungpolitiker "verantwortungslos" und eine "absolute Geringschätzung" des Themas. Auf Facebook wurde eine Gruppe unter dem Motto "Kurz als Integrationsstaatssekretär - Nein Danke" gegründet, zu Mittag hatte sie mehr als 1000 Fans.
Allerdings, so hört man aus der ÖVP, war die Entscheidung für Kurz, der im "Geilomobil" in den Wahlkampf zog, auch intern umstritten. Daher wird er wohl als reiner Ideengeber fungieren und nicht wie ein "echter" Staatssekretär Verhandlungen führen oder Entwürfe akkordieren.