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24-Stunden-Betreuung: ein Modell auf tönernen Beinen

Von Martina Madner

Politik

In der Corona-Krise zeigen sich die Schwächen der vermeintlichen "Pflege"-Win-win-Situation. Eine Analyse.


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Wien. Nach Tagen der Unsicherheit können manche in Niederösterreich mit 24-Stunden-Betreuung nun aufatmen: Wirtschaftskammer und Land ließen am Montag 250 Personen aus Bulgarien und Rumänien einfliegen. Die Kosten für die Flüge bezahlte laut Aussendung das Land, jene für die Unterbringung im Hotel während der 14-tägigen Quarantäne die Wirtschaftskammer. Danach sollen sie bis zu sechs Wochen lang im Bundesland tätig sein, rund 70 hätten in Niederösterreich Bedarf angemeldet, weil "ihre" 24-Stunden-Betreuung nach Hause möchte oder muss.

Alle Bundesländer können die 550 Euro an Bundesförderung, die es seit letzter Woche auch für eine betreuende Person und nicht nur bei zweien, die sich die Arbeit teilen, gibt, aktuell nochmals um Bonuszahlungen aus dem insgesamt 100 Millionen Euro großen Pflege-Paket der Regierung erhöhen. Und doch offenbart das Einfliegen einige Schwächen dieses Systemteils der "Pflege".

Pflichten ohne Rechte

Ein Ersatz für jene 33.000, die im Moment solche Betreuungskräfte insbesondere aus Osteuropa engagiert haben, lässt sich aus Österreich schlichtweg nicht herstellen: unselbständig beschäftigt schon arbeitsrechtlich nicht. Aber da die Betreuerinnen selbständig sind, gelten Arbeitszeit- und Ruhebestimmungen für zwei, drei oder vier Wochen ohnehin nicht.

Aber auch Selbständige für die 24-Stunden-Betreuung sind in Österreich nicht zu finden. Die Arbeit wird im Internet um 55 Euro pro Tag oder 1700 Euro 24/7 für ein ganzes Monat angeboten - was bei zwölf Stunden Arbeit 4,80 Euro brutto pro Stunde bringt, Bereitschaft in der Nacht ist da nicht berücksichtigt. Jene aus Osteuropa machen das, weil das Lohnniveau in Bulgarien 6,5-mal, jenes in Rumänien 5,5-mal geringer ist als in Österreich. Das war übrigens das Argument von Türkis-Blau, die Familienbeihilfe zu indexieren, und sie von jenen Betreuerinnen und Betreuern mit Kindern in den Herkunftsländern zu minimieren, was nicht erst jetzt einen mehr als schalen Beigeschmack hinterlässt.

Aber selbst wenn Angehörige für zwei Personen die üblichen 3000 Euro brutto (inklusive der Förderung und einem Pflegegeld von beispielsweise 690 Euro) an die Agentur bezahlen, erhalten das die Betreuerinnen nicht eins zu eins. Von den 1500 Euro pro Person geht zwar keine Steuer mehr weg, einen Teil aber nimmt die Wirtschaftskammer, einen weiteren die Sozialversicherung, einen dritten die Vermittlungsagentur.

Betreuung ist keine Pflege

Es gibt fair arbeitende Agenturen, die sich um Notfälle, Deutschkurse oder fachliche Schulungen und gute Unterbringung sehr bemühen, aber auch solche, die wenige Stunden Crash-Kurs als Ausbildung verkaufen - was Agenturen verrechnen, bleibt oft intransparent. Selbst ein Wechsel der Agentur war bei manchen lange ausgeschlossen. Seit 2015 hat sich die Branche Richtlinien auferlegt, auch mit einem freiwilligen Gütesiegel will man schwarze Schafe minimieren. Kontrollen sind aber beim zu Hause schwierig.

Genauso wie das Sichern der Qualität: Zwar ist gesetzlich festgelegt, dass Betreuende pflegerische Aufgaben nur auf Anweisung und unter Anleitung von ausgebildeten Pflegefachkräften machen dürfen, die sogar für Fehler der Betreuung haften. In der Praxis zeigen sich aber große Unterschiede: In manchen Fällen wird die 24-Stunden-Betreuung durch professionelle mobile Pflege ergänzt, in anderen ist sie trotz hoher Pflegestufen 5, 6 oder 7, die immerhin zwei Fünftel jener mit 24-Stunden-Betreuung haben, alleine. Sie kann also nur Ergänzung und nicht Ersatz für Pflege sein.