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25 Milliarden Euro als Anreiz

Von Alexander Dworzak

Politik

Ein Fördertopf soll EU-Mitglieder zur Umsetzung von Reformvorschlägen motivieren.


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Wien. Die Regel ist eindeutig: Maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) darf die jährliche Neuverschuldung in den Ländern der Eurozone betragen – außer im Falle von konjunkturbedingter Rezession oder Naturkatastrophen. In der Praxis werden die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes jedoch oft nicht ernst genommen. Zwar sind Pönalen vorgesehen, doch damit diese verhängt werden können, müssen zwei Drittel der EU-Finanzminister zustimmen. Und das ist bisher noch nie geschehen.

Nachdem Strafandrohung nichts nutzt, bringt die EU-Kommission das Prinzip Geld gegen Reform ins Spiel. Die Brüsseler Behörde schlägt dafür einen mit 25 Milliarden Euro dotierten Budgettopf vor, der für den neuen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 gelten soll. Als "Reformhilfeprogramm" bezeichnete das Marc Fähndrich, wirtschaftspolitischer Berater der Vertretung der EU-Kommission in Wien, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Ob die EU-Länder Gefallen am Vorstoß der Kommission finden, muss sich erst zeigen.

Hintergrund der Kommissions-Initiative ist, dass die Mitgliedsstaaten Reformvorschläge aus Brüssel oft nur zaghaft aufnehmen. Infolge der Wirtschaftskrise wurde 2010 das "Europäische Semester" eingeführt. Es soll der haushalts- und strukturpolitischen Überwachung in der Union dienen. So legte die Kommission im März ihre Länderberichte für 2018 vor. Im April antwortete Österreichs Regierung mit ihrem "nationalen Reformprogramm". Auf Basis dessen präsentierte die Kommission nun ihre Sicht.

Zum wiederholten Male bemängelt die Kommission die hohen Ausgaben im österreichischen Gesundheitssystem. Diese lägen bei 3800 Euro pro Kopf, im EU-Schnitt seien es 2800 Euro. Auch wird ein weiterer Anstieg der mit sieben Prozent des BIP bereits überdurchschnittlich hohen öffentlichen Gesundheitsausgaben in Österreich befürchtet. Zudem gebe es in kaum einem EU-Land mehr Krankenhausaufenthalte. Spitäler würden hierzulande aus arbeitsmarkt- und strukturpolitischen Erwägungen errichtet, kritisiert Fähndrich. Positiv nennt er die anstehende Zusammenlegung der Krankenkassen, schließlich seien die Verwaltungsausgaben im Gesundheitswesen "deutlich zu hoch".

Altersarmut bei Frauen besorgt

Über dem Schnitt liege Österreich auch weiterhin bei der Lohn- und Einkommensschere zwischen Mann und Frau. Verdienen Frauen hierzulande um ein Fünftel weniger, seien es in der Union 16,2 Prozent, sagt Jozef Vasak, ebenfalls wirtschaftspolitischer Berater der Kommissions-Vertretung. Ihm zufolge zeige zwar die Beschäftigungsquote mit 71 Prozent einen höheren Wert als den EU-Durchschnitt (65 Prozent) an. Doch hinke Österreich bei den Vollzeitäquivalenten hinterher; fast die Hälfte der Frauen arbeitet Teilzeit. Auch seien viele Frauen im Niedriglohnsektor beschäftigt.

Im Verbund mit dem niedrigen Pensionsantrittsalter warnt Fähndrich daher vor Altersarmut von Frauen in Österreich. Deren Pensionen lägen im Schnitt um 40 Prozent unter jenen der Männer.

Steuerliche Entlastung wünscht sich die Kommission für Geringverdiener. Trotz Reform liege Österreich bei den Steuer- und Sozialabgaben auf Platz sechs in der Union. Ein Hebel könnte laut der Brüsseler Behörde eine Erhöhung der Immobiliensteuern sein. Diese machen hierzulande nur 0,2 Prozent des BIP aus, im EU-Schnitt ist es das Achtfache.

Im Schnitt bewegt sich Österreich wiederum, was die Übernahme von Empfehlungen der Kommission betrifft. Seit 2011 wurde rund die Hälfte der Vorschläge angenommen. n