Washington - Das Wahlmännerkollegium bestätigte den republikanischen Präsidentschaftskandidaten George W. Bush am späten Montagnachmittag erwartungsgemäß mit 271 Stimmen. 266, eine weniger als ihm laut Wahlmännern zustand entfielen auf den demokratischen Kandidaten Al Gore.
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Gore verlor eine Stimme in der Hauptstadt Washington, die als District of Columbia drei Elektoren stellt, die am Wahlabend mit einer Mehrheit von 85 Prozent an den amtierenden Vizepräsidenten gefallen waren. Die Elektorin Barbara Lett-Simmons protestierte mit ihrer Wahlenthaltung gegen den Umstand, dass die Hauptstadt keine Abgeordneten in den Kongress entsenden kann. "Wir leben nach den Gesetzen. Unsere Söhne, Brüder und Cousins sterben in Kriegen, aber wir haben kein Recht zu wählen" sagte die langjährige demokratische Parteiaktivistin, die betonte, sie hätte Al Gore natürlich ihre Stimme gegeben, wenn er eine Chance auf den Sieg gehabt hätte.
Eine neueste Nachzählung der Resultate aus den einzelnen Bundesstaaten, die Dienstag von der "Washington Post" veröffentlich wurde, ergab übrigens, dass Gore bei den Wählerstimmen insgesamt weiter vor Bush lag als bisher bekannt war. Danach erreichte der amtierende Vizepräsident sogar 540.539 Stimmen mehr als Bush, der am 20. Jänner als 43. Präsident ins Weiße Haus einziehen wird.
Viele Wahlmänner und -frauen waren seit Tagen mit E-Mails und telefonisch bedrängt worden, nicht für Bush, sondern für den Demokraten Al Gore zu stimmen. Gore hatte Bush aber als Wahlsieger anerkannt und erklärt, er wolle nicht, dass Abweichler für ihn votierten.
Die Wahlmänner stimmen generell für den Kandidaten, der in ihrem Bundesstaat gewonnen hat. Nur in den Bundesstaaten Maine und Nebraska gibt es abweichende Regelungen. Dort geht je eine Wahlmännerstimme an den Sieger im Kongresswahlkreis und die restlichen beiden, die die Senatsstimmen repräsentieren, an den landesweiten Sieger. Bei den diesjährigen Wahlen entfielen aber alle vier Elektoren in Maine auf Gore und alle fünf in Nebraska auf Bush.
Ein Abweichen von der vorgegebenen Linie ist sehr selten. Überraschungen gab es bei den Abstimmungen daher nicht.
Die Tatsache, dass Gore trotz eines klaren Stimmenvorsprungs die Wahlen verloren hat und Bush damit nach den Wahlen von 1824, 1876 und 1888 der vierte Kandidat ist, der mit einem Stimmenrückstand Präsident wird, hat die Diskussion über eine Abschaffung des Wahlmännerkollegiums neu belebt. Ein solcher Schritt hat aber wenig Chancen auf Realisierung. Er müsste eine Zweidrittelmehrheit in den beiden Kammern des Parlaments finden und von drei Vierteln der Bundesstaaten ratifiziert werden. Gerade kleinere Bundesstaaten aber sehen sich durch das Wahlmännersystem gestärkt und haben daher wenig Interesse an einer Abschaffung.