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275 Tage ist Fico an der Macht: Die Katastrophe blieb aus

Von WZ-Korrespondentin Carola Palzecki

Europaarchiv

Der slowakische Premier legt Zielstrebigkeit an den Tag. | Pressburg. Zur "Katastrophe", die viele am 17. Juni und dann wieder am 4. August vergangenen Jahres gewittert hatten, ist es in der Slowakei nicht gekommen. Dennoch weicht das Misstrauen gegenüber Premier Robert Fico, der am 17. Juni als Sieger aus den vorgezogenen Parlamentswahlen hervorging und am 4. August im Amt vereidigt wurde, nur langsam. Immerhin ist Fico auf internationalem Parkett keine "persona non grata" wie etwa sein Vorvorgänger Vladimir Meciar. So reiste er zuletzt nach Deutschland, um dort mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über tatkräftige Unterstützung durch deutsche Energiekonzerne beim Bau eines neuen Kernreaktors in Jaslovske Bohunice zu verhandeln.


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Trotzdem ist auch nach 275 Tagen Fico als Regierungschef kaum jemand so recht begeistert über den Premier in Pressburg. Vor den Wahlen hielten ihn viele für einen populistischen "Oppositionskrakeel" ohne jede Substanz. In seiner eigenen Partei, der Smer-SD, die der Sozialdemokrat mit eiserner Faust zusammenhält, gilt er als autoritär. Bei der Wahl seiner Koalitionspartner, der Slowakischen Nationalpartei (SNS) von Ján Slota und Meciars LS-HZDS, wiederum wurde er zumindest als "ungeschickt" oder "politisch wenig feinfühlig" eingestuft.

Ausländische Politiker schließlich wissen nicht, was sie etwa von Ficos Reisen nach Libyen oder Weißrussland halten sollen.

Allein die Slowaken lieben diesen Mann wie sonst niemanden. Seit Jahren liegt Fico unangefochten an der Spitze, wenn es um den vertrauenswürdigsten Politiker geht. Darin liegt wohl sein Schlüssel zum Erfolg. Emsig, mit einer bis zur Verbissenheit reichenden Zielstrebigkeit und eben vor allem mit einer soliden Hausmacht im Volk hat sich der Rechtsanwalt seit der Gründung der Smer-Partei im Jahre 1999 politisch ganz nach oben gearbeitet.

Ficos Dilemma wiederum liegt darin, schon auf den ersten Blick verstanden werden zu wollen und doch erst beim zweiten Hinhören tatsächlich verstanden zu werden. So sorgte der Premier in den ersten Wochen nach seinem Amtsantritt für totale Verwirrung, als er erklärte, wie er sich Wirtschaftspolitik vorstelle. Dabei hatte der Jurist, seiner Profession entsprechend, eigentlich nur besonders genau erklären wollen, was er vorhatte. Im politischen Tagesgeschäft, das von Schlagworten lebt, hat solche Gründlichkeit nichts zu suchen.

Doch Fico lernt schnell. Inzwischen hat er begriffen, wo Detailfreude angebracht ist und wo nicht. Immerhin hat er gerade die von ihm zum Gesetzesvorhaben des Jahres 2007 deklarierte Reform des Arbeitsrechts mit nur wenigen Abweichungen im Kabinett durchgebracht.