Deutsche Maut-Pläne bereiten Österreich Kopfzerbrechen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien/Berlin. "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben." In der Hitze des Wahlkampfgefechtes mit SPD-Herausforderer Peer Steinbrück ließ sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dieses Machtwort Anfang September entlocken. Am Montag relativierte ein Sprecher ihre Aussage: "Eine Pkw-Maut, die inländische Autofahrer zusätzlich belastet, hat die Kanzlerin abgelehnt", eine Pkw-Maut an sich wollte der Sprecher aber nicht mehr ausschließen. Heißt: Eine Vignette für Ausländer wird wohl kommen. Diese soll jährlich 100 Euro und 10 Euro für 10 Tage kosten. Kleben müssten sie alle, für die Deutschen könnte aber die Kfz-Steuer um denselben Betrag sinken. Bleiben die Ausländer als Melkkühe, etwa Zehntausende Österreicher, die täglich übers Deutsche Eck fahren - der Arbö schätzt ganz grob rund 100.000 Fahrten.
Wenig Spielraum
Verkehrsministerin Doris Bures gibt sich kämpferisch. Die deutschen Pläne würden "EU-Bürger ohne deutsche Zulassung diskriminieren". Und sie kündigt an, einen solchen "Verstoß" gegen geltendes EU-Recht zu bekämpfen. Der Sprecher des Autofahrerclubs ÖAMTC, Bernhard Wiesinger, sieht bei einer Klage wenig Aussicht auf Erfolg. "Es ist eine nationale Angelegenheit der Deutschen, wem sie steuerliche Nachlässe gewähren. Wenn kein direkter Bezug zur Vignette gegeben ist, können wir uns schwer vorstellen, dass die EU-Kommission etwas dagegen tun kann." Er sieht den Handlungsbedarf woanders: "Wichtig ist eine Lösung für Einzelfahrten übers Deutsche Eck. Verkehrsministerin Doris Bures hat im Wahlkampf eine 3-Tages-Vignette ins Spiel gebracht. Wenn Österreich so etwas einführt, wäre das ein Faustpfand und man könnte es auch von den Deutschen verlangen."
Drei Tage, drei Euro?
Nach den Vorgaben der EU-Wegekostenrichtlinie würde eine 3-Tages-Vignette rund 6 Euro kosten. Derzeit kostet die billigste österreichische Vignette 8,30 Euro für 10 Tage. Dem ÖAMTC schwebt eher eine Größenordnung von drei Euro für drei Tage vor.
In den laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP sollen die neuen Vignetten-Varianten "heftig mitverhandelt" werden, heißt es von Insidern. Auf Anordnung von Bures prüft der Autobahnbetreiber Asfinag bereits seit September die "Wirtschaftlichkeit" einer 3-Tages-Vignette. Die Prüfung soll bis Mitte November abgeschlossen sein. Entscheidend ist, ob sich Druck und Vertrieb rechnen oder die Kosten dafür die zu erwartenden Einnahmen übersteigen. Und es geht um den drohenden Einnahmenentfall der Asfinag, die ohnedies mit 11,5 Milliarden Euro verschuldet ist.
Die Kurzzeit-Vignetten sind die mit Abstand beliebtesten: Von 23,6 Millionen Stück entfielen im vergangenen Jahr 18,5 Millionen auf Kurzzeitvignetten. Heißt im Umkehrschluss: Die fast 400 Millionen Euro an jährlichen Einnahmen aus der Vignette könnten deutlich sinken, sollten Einmalfahrer die 3-Tages-Vignette statt der 10-Tages-Vignette kleben.
Streit um Kufstein
Der Grund, warum Bures die 3-Tages-Vignette ins Spiel brachte, hat ebenfalls mit den Deutschen zu tun; konkret mit jenen, die nach Kitzbühel zum Skifahren anreisen. Bisher herrschte Mautfreiheit auf der Inntal-Autobahn zwischen Kufstein-Süd und der Staatsgrenze. Ab Dezember wird jedoch kontrolliert. Und das ist für die Landeshauptleute von Tirol und Salzburg, Günther Platter und Wilfried Haslauer, ein Schlag ins Gesicht. Sie warnen vor "Mautflüchtlingen", die Bundesstraßen verstopfen und die Luft der Anrainer verpesten, und fürchten einen Rückgang des Tourismus, sollten die Mautkosten Urlauber abschrecken. Bures brachte als Ausweg die 3-Tages-Vignette ins Spiel. Kanzler Werner Faymann stellte sich in dieser Frage demonstrativ hinter sie.
Platter, Haslauer und der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner dürften von der Aussicht auf höhere Fahrtkosten für Ost-West-Pendler durch die deutsche Maut ebenso wenig begeistert sein und könnten auch deswegen ihren Druck auf günstige Vignettenvarianten erhöhen.
Zurück nach Deutschland. Über kurz oder lang kommt Merkel nicht daran vorbei, auch die deutschen Autofahrer zu "melken". Die jährlichen Kosten für die Erhaltung des Straßen- und Schienennetzes betragen sieben Milliarden Euro. Die Pkw-Maut für Ausländer brächte geschätzte 700 Millionen.