Studie der MA 46 zeigt Auswirkungen der neuen Mariahilfer Straße.
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Wien. Anlässlich des Umbaus der Mariahilfer Straße untersuchte die MA 46 (Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten) die Entwicklung des Verkehrsaufkommens in 34 Straßen des 6. und 7. Bezirks. Verkehrszählungen aus dem Jahr 2013 und aus dem Jahr 2015 wurden miteinander verglichen. Das Ergebnis: In beiden Bezirken zeigt sich ein deutlicher Rückgang des motorisierten Individualverkehrs von insgesamt mehr als 30.000 Pkw-Fahrten täglich.
Wurden bei der Verkehrszählung im September 2013 noch 428.430 Autofahrten registriert, waren es im Februar/März 2015 dann 394.661. Das sind 33.769 Fahrten weniger: ein Rückgang von rund 8 Prozent. Die erste Verkehrszählung fand bereits im Juni 2013 statt. Zwei weitere folgten - wie die MA 46 auf Anfrage der "Wiener Zeitung" bestätigt - im September und Oktober des selben Jahres, als auf der Einkaufsstraße neue verkehrssteuernde Maßnahmen getestet wurden. Die Zahlen wurden schließlich mit denen aus einer weiteren Zählung im Februar/März 2015 verglichen. (Zu diesem Zeitpunkt waren die Umbauarbeiten noch nicht vollständig abgeschlossen, wodurch das Ergebnis mit etwas Vorsicht zu genießen ist. Wahrnehmungen aus den Bezirken bestätigen jedoch die Korrektheit der Trends. Anm. d. Red.)
Teilweise auch hohe Anstiege
Schaut man sich die Ergebnisse im Detail an, wird deutlich, dass der Rückgang des Kfz-Verkehrs sehr ungleichmäßig über die Bezirke verteilt ist: Zwar sind in den meisten untersuchten Straßen heute um bis zu 30 Prozent weniger Automobile unterwegs. In einzelnen Straßenstücken, die sich direkt in einer verkehrsberuhigten Zone befinden, ging der Autoverkehr sogar um mehr als 80 Prozent zurück. Allerdings gibt es auch einige Straßen, wo die Anrainer seit dem Umbau unter einem drastischen Anstieg des Autoverkehrs leiden: Wenig überraschend zeichnen dafür die von Wirtschaftskammer und Autofahrerverbänden eingeforderten Querungen verantwortlich, für die sich bei der Befragung im Frühjahr 2014 auch die Bürger mehrheitlich ausgesprochen hatten.
Über weniger Lärm und Abgasbelästigung durch Autofahrer dürfen sich in Neubau die Bewohner der Schottenfeldgasse freuen. Südlich der Stollgasse sind um 76 Prozent weniger Autofahrten zu verzeichnen: Nur noch 571 zählte man im März 2015. Im Rest der Schottenfeldgasse - hier war die Verkehrsbelastung schon früher nicht so stark wie im südlichsten Abschnitt - fiel der motorisierte Individualverkehr immerhin um 5 Prozent auf 1518 Fahrten. In der Kirchengasse halbierte sich der Autoverkehr auf 770 Fahrten.
Verlierer Seidengasse
Der große Verlierer nach der Umgestaltung in Neubau ist die Seidengasse. Hier verdoppelte sich im Abschnitt westlich der Zieglergasse das Pkw-Aufkommen von 1324 Fahrten im Juni 2013 auf 2573 Fahrten im März 2015. In der Westbahnstraße sind heute um 44 Prozent mehr Fahrzeuge unterwegs als vor dem Umbau. Plus 45 Prozent sind es auch in der Lindengasse.
Die Trends aus der Studie bestätigt Bezirkschef Thomas Blimlinger, der - wie sein Amtskollege Martin Rumelhart in den besonders betroffenen Straßenstücken - von einem unabhängigen Planungsbüro eigene Verkehrszählungen durchführen und Gegenmaßnahmen erarbeiten ließ. "Wir wissen, dass die Seidengasse durch den Durchzugsverkehr heute wesentlich mehr belastet ist", sagt Blimlinger: "Wir werden deshalb in naher Zukunft eine weitere Einbahn umdrehen. Damit sollte sich auch für die Lindengasse eine Erleichterung ergeben."
In Mariahilf zählen die Otto-Bauer-Gasse (minus 17 Prozent), die Windmühlgasse (minus 37 Prozent) sowie die Webgasse südlich der Schmalzhofgasse (minus 55 Prozent) zu den Gewinnern der Verkehrsberuhigung. Mehr Belastungen gibt es im 6. Bezirk hingegen für die ohnehin bereits stark befahrene Gumpendorfer Straße, die im Zuge der Verkehrsberuhigungsmaßnahmen als Tempo-30-Zone ausgestaltet wurde: Im März 2015 gab es hier um rund ein Fünftel mehr Autoverkehr als zwei Jahre zuvor.
Brennpunkt Schmalzhofgasse
Eine deutlich erhöhte Verkehrsbelastung zeigt sich auch rund um die Kreuzungspunkte Liniengasse / Webgasse / Schmalzhofgasse. Grund dafür: Hier verläuft eine der Querungen in beiden Richtungen. In den betroffenen Straßenzügen verdoppelte sich im Vergleich von 2013 bis 2015 der Autoverkehr. Wurden in der bis dahin vergleichsweise ruhigen Schmalzhofgasse im Juni 2013 noch 829 Fahrten verzeichnet, waren es laut Studie im März 2015 bereits 1605 Fahrten. Inzwischen haben sich geplagte Anrainer zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen.
Bezirksvorsteher zufrieden
Dass die Route jetzt einer hohen Verkehrsbelastung ausgesetzt ist, räumt auch Bezirksvorsteher Rumelhart ein "Die Bewohner dort erleben die neue Verkehrsorganisation als massive Verschlechterung", sagt der SPÖ-Politiker: "Es gab aus verkehrstechnischen Gründen aber keine andere Möglichkeit, wenn die Mariahilfer Straße aus beiden Richtungen kommend gequert werden soll."
Immerhin sei der Durchzugsverkehr jetzt draußen, glaubt Rumelhart. Aber Lieferverkehr, Taxis und Anrainer genügten, um den Anstieg zu verursachen. Maßnahmen, wie sich die Belastungen für die Bürger in der Schmalzhofgasse verringern ließe, würden geprüft. Bisher sei jedoch keine zufrieden stellende Variante präsentiert worden.
Insgesamt zeigt sich Rumelhart, ebenso wie sein grüner Amtskollege aus Neubau, mit der neuen Verkehrsorganisation zufrieden. Dass im Bezirk täglich mehrere tausend Autos weniger unterwegs seien, würde im Bezirk gut ankommen: "Menschen, die früher vom Durchzugsverkehr belastet waren, erzählen mir, dass sie jetzt wieder bei offenem Fenster schlafen können." Auch Bezirksvorsteher Blimlinger zeigt sich grundsätzlich zufrieden. "Ich war anfangs, "weil ich gedacht habe, dass der Verkehr zu sehr in die Wohngrätzel hineinverlagert werden würde - das hat sich aber als unwahr herausgestellt".
Für Ulrich Leth, Verkehrsplaner am Institut für Verkehrswissenschaften an der TU, zeigt sich anhand dieser Zahlen, "dass sich die Theorie einmal mehr bewahrheitet, wonach Straßenausbau zu mehr Autoverkehr führt und Straßenrückbau zu einer systematischen Verkehrsreduktion".