Seit gestern ist eine Zahl offiziell, über die seit Wochen gerätselt wurde: 357 Postämter sollen für immer geschlossen werden. Am schlimmsten trifft die zweite große Schließungswelle Niederösterreich, wo dem Sparstift 93 Postämter zum Opfer fallen. Post-Filialvorstand Herbert Götz spricht davon, dass es vorher noch einen Dialog mit den Gemeinden geben werde. Doch der wird einseitig ausfallen, denn de facto kann die Post AG ihre Niederlassungen auch ohne Sanktus der Bürgermeister zusperren.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Post bringt allen was. Mit diesem Slogan bewirbt die heimische Post ihre Dienstleistungen. Doch mit dem gewohnten Service können viele Kunden nicht mehr rechnen. Die Post sperrt bis spätestens Sommer nächsten Jahres 357 Postämter in ganz Österreich zu. Am schlimmsten trifft es Niederösterreich und Oberösterreich, wo 93 bzw. 80 Postämter von der Bildfläche verschwinden werden. Sogar bis nach Wien schwappt die Schließungswelle und nimmt 11 Postämter mit sich.
Die betroffenen Gemeinden sind beunruhigt. Sie fürchten die Ausdünnung der ländlichen Infrastruktur. Der Gemeindebund kündigt deshalb an, den Postmanagern genau auf die Finger sehen zu wollen. Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer will kontrollieren, ob die "Bestimmungen der Universaldienstverordnung eingehalten werden nd ob akzeptable Alternativen angeboten werden".
Bis zu 30 Kilometer bis zum nächsten Postamt
Künftig wird man nicht selten bis zu 30 Kilometer bis zum nächsten Postamt fahren müssen. Schon jetzt sind ganze Regionen wie das Lesachtal in Kärnten ohne Postamt, das letzte wurde im vorigen Jahr Opfer der Einsparungen. Bis zum Sommer 2005 soll "das Projekt", wie es Götz nennt, abgeschlossen sein.
Der Post-Vorstand sieht die Lage weit entspannter als die Bürgermeister. Götz spricht von der "Optimierung des Filialnetzes" und dass die Post in Zukunft näher zum Kunden kommt. Doch mit dem PR-Jargon, der mit schönen Worten die Tatsachen umschreibt, kann Mödlhammer nichts anfangen: "Die Wortwahl der Post-Vorstände ist sehr befremdlich. Ich finde es unangemessen, wenn dauernd mit unpassenden Begriffen argumentiert wird."
Außderdem verlangt der Gemeindebund Einsicht in die Bilanzen und Abrechnungen der einzelnen Filialen. "Die Bürgermeister müssen darüber informiert sein, ob und in welchem Ausmaß die Postämter defizitär sind." Denn es sei durchaus hinterfragenswert, welche Umsätze den Standorten tatsächlich zugerechnet werden. "Wenn etwa über ein Postamt PSK-, Handy- oder Festnetzverträge abgeschlossen werden, dann sind das beachtliche Einnahmen," Mödlhammer will nun wissen, ob diese auch den kleinen Filialen zugute kommen.
Widerstand aus den Bundesländern
Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll betonte, dass die Verhandlungen sicher "kein Spaziergang für die Post-Verhandler" würden. Oberösterreich plant laut LH Josef Pühringer eine Resolution an die Bundesregierung, in der eine Verschärfung der Post-Universaldienstverordnung gefordert wird. Dasselbe verlangt Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider. Er hat seinem Parteifreund Infrastrukturminister Hubert Gorbach angehalten, die Universaldienstverordnung zugunsten der Gemeinden zu ändern. Denn die derzeitige Version lässt der Post sehr viel Interpretationsspielraum. Eine Überarbeitung der Verordnung hält auch die Arbeiterkammer für dringend erforderlich. Es müsse Kriterien für die Dichte und Verteilung von Postämtern in einem Einzugsgebiet geben. Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber wiederum glaubt die Wirtschaftlichkeitsberechnungen nicht, wonach in allen 15 Fällen die Personalkosten drei Mal höher seien als der Umsatz. Er kündigt an, diesen Kahlschlag keinesfalls zu akzeptieren. Beim großen Postgipfel am 7. Dezember, an dem auch Gemeinde- und Städtebund teilnehmen, müsste auch darüber gesprochen werden.
Lockerung der Universaldienste
Doch die Post will vielmehr eine Lockerung oder gar die Aufhebung der Universaldiensteverordnung. Dass die Post ein erklärter Gegner der Verordnung ist, die dem Unternehmen die flächendeckende Versorgung vorschreibt, ist in Fachkreisen bekannt - wird aber von Post-Seite heftig bestritten. Hinter den Kulissen sollen die Post-Lobbyisten fleißig am Werk sein, um die Universaldienstverordnung zu Fall zu bringen. Mittlerweile hat die Post einen Mitarbeiter in Brüssel stationiert, der bei den betreffenden Stellen im Notfall intervenieren soll.
Erst im Jahr 2002 wurden bei der ersten Massenschließung 700 Postämter eliminiert. Damals wurde versichert, dass keine weiteren mehr folgen würden. Die Aufgaben der Postämter wurden stattdessen von 122 Post-Partnern und 241 Post-Servicestellen sowie von den Zustellern übernommen. Dasselbe soll den Kunden jetzt als Ersatz angeboten werden.
Für Finanzvorstand Rudolf Jettmar ist es nicht vertretbar, unrentable Filialen weiterhin zu erhalten. Ob mit den 357 Schließungen, die Kosten von 22,7 Mio. Euro einsparen sollen, das etappenweise Postamtsterben ein Ende hat, will Jettmar nicht sagen. Noch vor kurzem war davon die Rede, dass gar 1.000 Postämter zur Disposition stünden. Jettmar bestätigt jedenfalls auf Anfrage der "Wiener Zeitung", dass weit mehr als die nun genannten 357 Postämter zu geringe Umsätze bringen. Jedoch sei das Ersatzprogramm, das von der Post finanziert werden müsse, noch viel teurer.
Wegen der massiven Gegenwehr befindet sich der Post-Vorstand nun auf Beschwichtigungskurs. Für jedes Postamt werde es eine Ersatzlösung geben, keiner müsse auf Postleistungen verzichten, wird versprochen. Als neue Alternative sollen auch Postmobile, zu Postämtern umgerüstete Busse, mehrere Orte betreuen. Die Idee wurde den Schweizern abgeschaut.