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379 Mrd. Dollar für die Armee

Von Tom Käckenhoff

Politik

Berlin - Mit der geplanten Erhöhung des Verteidigungsetats der USA setzt Präsident George W. Bush die europäischen NATO-Partner nach Einschätzung von Experten unter Druck, die militärischen Anstrengungen zu forcieren. Schon jetzt sei es für die europäischen NATO-Partner der USA schwierig, mit diesem Schritt mitzuhalten, sagt Hans-Joachim Schmidt von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) in Frankfurt. "Die Lücke in der Technologie wird weiter wachsen." Bush hat den US-Kongress aufgefordert, den Verteidigungsetat im kommenden Jahr um 48 Mrd. auf 379 Mrd. Dollar aufzustocken. Dies wäre die größte Erhöhung in den USA seit 21 Jahren. Bis 2007 will Bush den Etat um 120 Mrd. auf 451 Mrd. Dollar erhöhen.


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Dass die europäischen NATO-Partner in absehbarer Zeit ihre Verteidigungsetats drastisch erhöhen, hält Schmidt für unwahrscheinlich. "Es gibt für Europa keine herausragende militärische Bedrohung." Nach Schmidts Worten betrachten die Europäer die von Bush bevorzugte militärische Antwort auf die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus zurückhaltend. Sollten die Mittel in Europa jedoch nicht erhöht werden, müssten die dortigen Nato-Staaten und deren Rüstungskonzerne enger zusammenarbeiten, um Kosten zu sparen und in der Militärtechnik nicht weiter zurückzufallen.

Der Verteidigungsetat der USA ist bereits jetzt höher als in den 15 folgenden Staaten mit den größten Verteidigungshaushalt zusammen, darunter Russland und China. Allein die von Bush geplanten zusätzlichen Mittel in Höhe von 48 Milliarden Dollar 2003 entsprechen einer Summe, die mehr als doppelt so hoch ist wie der laufende Verteidigungsetat Deutschlands. Die USA können allerdings auch nach den Überschüssen in ihrem Haushalt in den vergangenen Jahren im Gegensatz zu den von Defiziten geplagten Europäern aus dem Vollen schöpfen. "Die Hardliner in den USA nutzen die Chance", sagt Schmidt.

NATO-Generalsekretär George Robertson hatte am Wochenende auf der 38. Konferenz für Sicherheitspolitik in München die europäischen NATO-Staaten aufgefordert, ihre Militärbudgets zu erhöhen, damit sie in der Militärtechnologie nicht weiter hinter die USA zurückfielen. Er rief die USA jedoch zugleich dazu auf, ihre Beschränkungen beim Export von Rüstungstechnologie abzubauen.

"Die Fähigkeitslücke ist jetzt schon da", sagt Joachim Rohde von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Nach seinen Angaben verfügen die europäischen NATO-Staaten kaum über "abstandsfähige intelligente Munition": Waffensysteme, wie Marschflugkörper, die aus großer Entfernung ein Ziel genau treffen können. In der NATO verfügten lediglich die Briten über einige derartige Systeme. Mit Blick auf den Kosovo-Krieg 1999 fügt Rohde hinzu: "Diese Art von Operationen haben die Amerikaner alleine machen müssen. Ob die Lücke in der Militärtechnologie durch die geplante Erhöhung des Etats in den USA größer werde, könne noch nicht abgeschätzt werden. Hierzu müsse zunächst klar sein, wofür die USA die zusätzlichen Mittel verwenden wollten. Der politische Druck auf die europäischen Staaten werde aber sicher weiter zunehmen.

Götz Neuneck vom Hamburger Institut für Friedensforschung (IFSH) warnt die europäischen Staaten davor, sich von den USA in der Sicherheitspolitik die Vorgaben einfach diktieren zu lassen und etwa die eigene geographische Lage und die europäische Interessen aus den Augen zu verlieren. Die Europäer müssten zunächst den Sinn und Zweck ihrer Sicherheitspolitik genau definieren. "Da gibt es keine klare Zielsetzung." Die Ziele der USA müssten nicht unbedingt identisch mit denen der Europäer sein, sagte Neuneck. "Hierüber muss ein Debatte geführt werden." Auch dürfe es bei Konflikten keine einseitige Konzentration auf militärische Lösungen geben. Die geographische Lage, die Kultur und die Beziehungen der europäischen Staaten böten vielfältige Möglichkeiten, wobei auch auf "altmodische" Mittel wie Rüstungskontrolle und Abrüstung gesetzt werden könne.