Johannesburg - Abraham Duvenages Albtraum begann im Mai 2000. Damals entdeckte er die ersten Besetzer auf seiner Farm. Heute sind es bereits 40.000 Menschen, die sich auf seinem Farmgelände illegal häuslich niedergelassen haben. Gabon oder Gaborra nennen sie die Hütten-Ansammlung nun. Der Vorgang auf Duvenages 3.000 Hektar großem Besitz hat sich nicht abgespielt in dem für Farmbesetzungen berüchtigten Simbabwe, sondern im benachbarten Südafrika.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Genauer: In Benoni, vor den Toren der Metropole Johannesburg. Er ist ein Einzelfall, aber ein Indikator für die wachsende Ungeduld der armen schwarzen Bevölkerungsmehrheit angesichts einer schleppend verlaufenden Landreform. Und auch für die damit einher gehende Verschärfung des Konflikts um Grundbesitz.
Die Regierung in Pretoria sieht sich mit Blick auf die 2004 am Kap anstehenden Wahlen unter Druck und sendet verwirrende Signale aus, mit denen sie die Verunsicherung noch steigert. Diskussionen um eine Aufweichung der Sicherheits-Infrastruktur auf dem Lande - wo seit 1991 rund 1500 weiße Farmer ermordet wurden - sowie einen zunächst nur angedachten Bann ausländischen Grund- und Bodenerwerbs trugen dazu bei.
Auf der anderen Seite stehen Erwartungen, die durch die chaotische Landreform von Präsident Robert Mugabe im benachbarten Simbabwe genährt und von radikalen politischen Gruppen am Kap verstärkt werden. Mit Blick auf die ausländischen Investoren zeigte sich die Regierung bisher standfest - doch nun drohen Sachzwänge.
80 Prozent der 82,6 Millionen Hektar landwirtschaftlichen Nutzfläche sind in weißer Hand. Die entschädigungslose Enteignung Millionen schwarzer Farmer zu Apartheidzeiten trug zu dieser Struktur mit bei. An die einstigen schwarzen Eigentümer wollte die Regierung - ursprünglich bis 2001 - etwa 30 Prozent der Fläche zurückgeben. Ein Wahlversprechen und ein finanzieller Kraftakt, der auf 2,3 Milliarden Euro (22 Milliarden Rand) veranschlagt wurde.
Das Ziel soll nun in den kommenden 15 Jahren erreicht werden - doch selbst das erscheint zweifelhaft. 1,67 Millionen Hektar Land müsste die Regierung demnach jährlich erwerben und an die neuen schwarzen Eigentümer übereignen, rechnete die Zeitung "Sowetan" vor. Doch seit 1994 seien gerade mal kümmerliche zwei Prozent Agrarland umverteilt worden.
Kein Wunder, dass die Regierung von Präsident Thabo Mbeki im Falle von Farmer Duvenage auf stur schaltete. Denn sie müsste sich im Falle einer Räumung auch um die Obdachlosen kümmern und ihnen Ersatzflächen zuweisen - ein Präzedenzfall, der eine Kettenreaktion auslösen könnte. Die gerichtlich genehmigte Vertreibung der Besetzer sei ein Problem des Eigentümers, behaupteten die Regierungsvertreter vor dem Oberlandesgericht in Pretoria. Er selbst solle die zur Vollstreckung des Räumbefehls nötigen 230.000 Euro (2,2 Millionen Rand) aufbringen.
Richter William de Villiers sah das anders. Die aktuelle Politik der Regierung erlaube de facto die Enteignung von Farmland und habe auch bei der Bereitstellung von Behausungen für die Armen versagt, lautete sein vernichtendes Urteil. Trotz mehrmaligem Bitten habe sie nichts getan, um ihre verfassungsgemäße Pflicht zu tun. Die kritisierte Regierung wandte sich nun ans Oberste Berufungsgericht. Bis das ein Urteil fällt, dürften weitere Monate ins Land ziehen - und weitere Besetzer ihren Weg auf Duvenages Farm finden.